Slow

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Forumseintrag zu „Slow“ von Heidi@Home

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Heidi@Home (27.01.2023 10:57) Bewertung
Die Sache mit Platon
Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
„Slow“ ist der zweite Langfilm der litauischen Filmemacherin Marija Kavtaradze. Die Protagonisten sind Elena (Greta Grinevičiūtė), eine Tanzlehrerin, deren Äußeres nicht unbedingt dem Berufsbild entspricht wie sie selbst sagt und Dovydas (Kęstutis Cicėnas), ein feinfühlig-humorvoller Gebärden-Dolmetscher. Die beiden lernen sich kennen, als er eine ihrer Klassen übersetzen soll. Vom ersten Augenblick kreieren sie eine Verbindung, die schnell über eine Freundschaft hinausgeht, als Dovydas Elena eröffnet, dass er asexuell ist.

Kavtaradze zeigt, was zwei Liebende verbindet, wie sie miteinander umgehen und sprechen, wie sie merken, dass einer im anderen etwas bisher Verborgenes zum Vorschein bringt und wie schön das ist. Ihr scheint als würde sie Dovydas schon ihr ganzes Lebens lang kennen, erzählt Elena einer Freundin. Beide haben sozial-künstlerische Berufe und kommunizieren sehr viel mit dem Körper. Beide scherzen darüber, dass sie wohl nicht so intelligent seien, „aber nicht jeder könne ein Doktor werden“.

Tatsächlich verfügen beide aber zumindest über eine außerordentliche emotionale Intelligenz. Einmal erzählt Dovydas, dass seine Mutter ihm immer geraten habe zu Mc Donald’s zu gehen, wenn er traurig sei. Nachdem beide Elenas Mutter besucht hat, eine emotional kalte Person, die Elena sehr distanziert behandelt, beugt sich Dovydas zu Elena und sagt: „Gehen wir zu Mc Donald’s?“ Es sind viele dieser kleinen, liebevollen Momente, die nicht nur den Protagonist*innen, sondern auch dem Zuseher ein geborgenes Gefühl geben.

Aber natürlich, und das ist ebenfalls nicht zu übersehen: Dovydas „Outing“ ist ein Problem für Elena. Elena, die bisher keine ernsthafte Partnerschaft eingegangen ist, sondern viele, auch rein sexuelle Beziehungen hatte, die sich gar keine fixe Partnerschaft gewünscht hat. Oder wie ein Kollege sagt: Nach einem Monat findet sie jeden Mann langweilig. Nur Dovydas, den findet Elena keineswegs langweilig, was allerdings nichts daran ändert, dass Sexualität einen großen Stellenwert in ihrem Leben einnimmt und gar keinen in Dovydas Leben. Hier einen Kompromiss zu finden ist schwierig. Obwohl sie es nicht möchte, fühlt sich Elena von Dovydas zurückgewiesen und zunehmend unattraktiv.

Elena recherchiert im Internet, sie versucht zu verstehen und Antworten zu finden, vielleicht eine Lösung. Trotz der Asexualität, und es ist durchaus erfrischend, dass hier der Mann derjenige ist, der keinen Sex möchte, haben sie sehr viel Körperkontakt. Sie umarmen und küssen sich, liegen stundenlang im Bett, sie berühren sich sehr viel, sind sich nahe. Die Versuche allerdings, die über das Kuscheln hinausgehen, laufen ins Leere. Bis auch die Option im Raum steht, Liebe und Sexualität zu trennen.

Auch wenn sich wohl vergleichsweise wenige Beziehungen dem Thema Asexualität stellen müssen, so hat doch jede Partnerschaft ihre speziellen Herausforderungen. Es gibt, so entdecken Elena und Dovydas, keine „normalen“ Beziehungen. Zwei Menschen, die zusammen sein wollen, müssen immer auch zusammen wachsen. „Slow“ ist ein wunderschöner Film, der mit bescheidenen Mitteln und zwei beeindruckenden Hauptdarsteller*innen eine universelle Geschichte erzählt. „Slow“ ist auch Plädoyer dafür, die besondere Verbindung, die zwei Menschen miteinander haben, selbst dann nicht aufzugeben, wenn manche Hindernisse unüberwindbar erscheinen.

P.S. Nebenbei erwähnt: „Slow“ ist schon die zweite Produktion beim heurigen Sundance Festival, in dem der Songcontest ein Thema ist.
 
 

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