Everything Everywhere All at Once

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Forumseintrag zu „Everything Everywhere All at Once“ von Zwischen den Zeilen

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Zwischen den Zeilen (09.02.2023 08:57) Bewertung
Optisches Glanzstück!
Habe mir gestern dieses - ich muss die Pointe eigentlich schon vorwegnehmen - „optische Meisterwerk“ angesehen. Ja so darf und vor allem MUSS man es auch betrachten, als optische Perle, denn was Daniel&Daniel hier mit läppischen 25 Millionen USD anstellen, ist in visueller Hinsicht schlichtweg phänomenal!

Damit ist es aber noch längst nicht getan: Man bekommt nicht nur einen ästhetischen Leckerbissen in diesem Killbill-/Matrix-Style präsentiert, sondern hier ist auch inhaltlich der Teufel los. Vor allem dieses spielerische Grenzen ausloten, wie viel Skurrilität, wie viel Abnormität man dem Publikum wirklich zumuten kann, ohne die Synapsen zu schmoren, fand ich ganz schön mutig! Hinzukommen all die vielen bildlichen, Stakkato-artigen Ausflüge zur Identitätssuche und die ständigen Konfrontationen mit dem eigenen kläglichen Scheitern. (In diesem konkreten Beispiel als Metapher auf das Mutter-/Ehefrau-/ Hausfrau-/Familienoberhaupt-Dasein angeführt.) Selbst wenn sich dieses genreübergreifende, doppelzüngige, durch und durch moralisch unmoralische Feuerwerk oftmals belehrend anfühlte, so habe ich beim Cast dennoch keine Stereotypen finden können, die mit erhobenen Zeigefingern durchs Setting rennen. Vielmehr werden hier die Finger langgezogen, oder zum Abhacken und anschließendem Jumping verwendet.

Und dennoch schwebt über all den ganzen Geschehnissen eine humorvolle Grundnote, die das gesamte Konstrukt (un)freiwillig ins Lächerliche zieht.

Leute, es ist so verdammt lange her, dass mich ein Film derart sprachlos zurückgelassen hat. Rein objektiv betrachtet, definiert sich diese merkwürdige, farbenfrohe „Tour de Force“ über ihr cineastisches, gewaltbereites und auch fantasievolles Naturell. Doch ein paar Ebenen tiefer, lassen sich viele clevere, gesellschaftskritische Elemente der Selbstfindung ausmachen, die den offensichtlichen mehrdimensionalen Wert des Films unterstreichen. So. Genug applaudiert, jetzt kommt das fette ABER: Drei Dinge haben mich massiv gestört:

1. Wurde hier der Großteil der Handlung so dezidiert ins Lächerliche gezogen, dass die Erzählung nach dem ersten Drittel überhaupt keine Chance mehr hatte, ernst genommen zu werden, somit waren auch emotionale Strukturen - noch bevor sie aufgebaut wurden - hinüber.

2. Die anfänglich hochgezogene Multiversums-Nummer wurde im ersten Abschnitte noch als intelligente Story-Komponente verkauft, schliff sich aber alsbald ab und diente hinten raus nur mehr der Effekthascherei, hier merkt man dem Film die fehlenden Millionen einfach an.

3. Hat man definitiv von zu vielen anderen Produktionen abgekupfert: physische Interaktionen, Kampfsystem, Slow-Mo, ...mal eben von den Wachowskis „geklaut“, Handlungsaufbau, komödiantischer Einschlag von Tarantino geborgt, ein bisschen Wong Kar-Wai hier, ein bisschen Jackie Chan-Kung-Fu-Fighting da. (Wie lässt sich das Ganze dann verschleiern? Richtig! Indem man die Hommage-Karte zieht. Echt jetzt? Ganz schön billig, wenn ihr mich fragt!)

Eines steht jedenfalls fest: Das Ding wird die Meinungen extrem auseinanderreißen. Die einen werden ihn abfeiern, der andere Part wird ihn verabscheuen. Mir persönlich hat die Optik des Films, die Martial Arts, das intelligente Multiversum-Denken im Ansatz richtig, richtig gut gefallen. Leider hat man dieses Parallelding - für meinen Geschmack - zu sehr ausgereizt, beinahe unnötig auf die Spitze getrieben und wer darf’s am Ende ausbaden? Der liebende und alles verzeihenden Moralapostel, der die Weisheit in allerletzter Sekunde mit dem Löffel frisst. Aber klar ist auch: Sowas ganzheitlich Abgedrehtes habt ihr wahrscheinlich noch nicht gesehen.
 
 

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