Die Liebhaberin

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Forumseintrag zu „Die Liebhaberin“ von vroniluisa

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vroniluisa (30.03.2017 09:58) Bewertung
Realisierte Dystopie vs. Paradies
Exklusiv für Uncut von der Diagonale
„Die Liebhaberin“ ist der zweite Spielfilm von Lukas Valenta Rinner. Bei der Österreichpremiere auf der Diagonale 2017 war der sympathische Regisseur dabei – und erzählte unter anderem von der glücklichen Entstehungsgeschichte des Filmes. So findet er durch ein Plakat zufälligerweise einen Swingerclub in der Umgebung von Buenos Aires. Zur gleichen Zeit tritt ein koreanisches Filmfestival an ihn heran – und fragt Valenta Rinner ob er nicht eine Idee für einen neuen Film hätte. Und ein Drehbuch, welches sich auch während des Filmes im experimentellen Schreibprozess befindet, entsteht.

Die stille, fast unsichtbare Belén (Iride Mockert) wird in der Umgebung von Buenos Aires in einer geschlossenen, umzäunten Gemeinschaft als Hausmädchen angestellt. Sie hat es schwer mit ihren Mitmenschen in Kontakt zu treten - die Isolation der Gemeinschaft, in der sie lebt, ist spürbar auch tief in ihr verankert. Als sie eines Tages beim Hecken schneiden Trommelgeräusche aus dem Wald jenseits des Zaunes hört, wird ihre Neugier geweckt und sie begibt sich auf eine undurchschaubare Reise ihres eigenen Wachstums, der wir mit der Kamera folgen dürfen. Als diese Reise zu enden droht reagiert Belén radikal und es kommt zu einer regelrechten Schlacht zwischen einer realisierten Dystopie und dem geschaffen Paradies.

Die Abwesenheit von überflüssigen Dialogen und Musik und die Fokussierung auf Bewegung und Stillstand im Bild (wie auch der Protagonistin), die Darstellung unterschiedlichst geformter Körper in ihrer Nacktheit und Rohheit, in statischen Bildern vor der paradiesischen Natur Argentiniens machen diesen Film zu etwas ganz Besonderem. Auch wenn die Aufnahmen oft still und langsam sind, zieht sich für mich ein nervenkitzelnder Spannungsbogen durch den Film – unterstrichen von teils fast unbehaglicher Trommelmusik. Mit einem dunklen Humor, und teilweise grotesken Bildern (a la Yorgos Lanthimos) bringt einen dieser eigentlich dramatische Film immer wieder zum Lachen, Schmunzeln, freudigem Entsetzen.

Zusätzlich erlaubt der Regisseur mit seinem Film einen Einblick in die so genannten „Gated communities“ um Buenos Aires. Kaufbar sind dort heutzutage anscheinend Sicherheit, Privatsphäre und Exklusivität - nicht jedoch Zufriedenheit, Glück oder gar menschliche Wärme. Um in diesen geschlossenen Gemeinden überhaupt drehen zu dürfen, musste sein Team laut Valenta Rinner den Film als eine romantische Komödie verkaufen - und selbst dann war es schwer dort zu drehen. Einfacher war es da schon angeblich im Swingerclub im Freien – wo immer mehr Leute Interesse zeigten am Film teilzunehmen.

Auf jeden Fall eine Empfehlung meinerseits, ein ziemlich großartiger Film – der in mir Lust auf mehr hervorruft, weshalb ich mir jetzt unmittelbar den ersten Spielfilm von Valenta Rinner „Parabellum“ anschauen werde.
 
 

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