Irrational Man

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Forumseintrag zu „Irrational Man“ von Josko


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Josko (02.11.2015 04:51) Bewertung
Philosophie und gutes Leben
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Der etwas abgehalfterte Philosoph Abe (Joaquin Phoenix) beginnt das neue Semester als Gastprofessor an der Universität in Newport. Der frühere Krisenhelfer ist geplagt von einer existentiellen Krise: er vermisst den Einfluss des philosophischen Theoretisierens auf das wirkliche Leben. Als er mit seiner studentischen Freundin Jill (Emma Stone) zufällig ein Gespräch aufschnappt, dass eine Mutter durch einen korrupten Richter das Sorgerecht ihrer Kinder zu verlieren droht, schmiedet er einen Plan für den perfekten Mord – womit er sich aus seiner Krise führen will.

Und jährlich grüßt der neue Woody Allen. „Irrational Man“ ist sein sage und schreibe 46. Regiefilm. Obwohl schauspielerisch – wie man bei den Hauptdarstellern Joaquin Phoenix und Emma Stone schon im Vorhinein annehmen konnte – ausgezeichnet, ist der Film aber einer seiner eher mittelmäßigeren Werke. Vor allem an einer konsistenen Charakterzeichnung hapert es.

Aufgrund seines Rufs fällt unserem Protagonisten Abe anfangs gleich vieles in den Schoß – mit kaum eines Zutuns ist seine Kollegin Rita (Parker Posey) aber auch die Studentin Jill sofort in ihn verschossen. Obwohl letztere stets als intelligente und reflektierte Frau gezeichnet wird, verhält sie sich entgegengesetzt dazu in manchen Momenten wie frisch pubertär. Weiters befindet sich Abe zwar anfangs in einer Tiefphase seines Lebens und ist durch ständigen Alkoholkonsum selbstzerstörerisch unterwegs, wirkt aber eigentlich nicht suizidär. Die Szene bei einer Studentenparty, als er russisches Roulette an sich selbst vorführt, sorgt zwar ob ihrer Absurdität für Lacher, aber nicht für ein stimmiges Bild der Figur. Außerdem kann nicht glaubhaft verklickern, dass jemand, der bereits in Krisengebieten Hilfe geleistet hat, keinen anderen Weg als einen Mord sieht, um das Leben anderer positiv beeinflussen zu können.

Insgesamt ist der Film aber überhaupt nicht so schlimm wie man am obigen Abschnitt annehmen könnte. Trotz seiner mittlerweile knapp 80 Jahre wirken Allens Dialoge alles andere als verstaubt. „Irrational Man“ hat außerdem eine für den Regisseur typisch flotte Erzählweise – ein Rhythmus, der den Film wie im Fluge vergehen lässt und stets Spaß bereitet. Es wirkt aber manchmal so, als ob Woody Allen als alter Comedian keinen Witz – die nunmal teilweise auf Kosten der Charaktere gingen – auslassen konnte. Außerdem ist er auch schon mit besseren Prämissen für Filme aufgekommen. Die Grundfrage, nämlich ob Philosophie zu gutem Leben führt – was der Film am Ende wohl verneint – ist aber durchaus eine spannende.
 
 

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