Berlinale 2015
Retrospektive: Glorious Technicolor

Retrospektive: Glorious Technicolor

Wie unterschiedlich der frühe Farbfilm mit der neuen Technik umgegangen ist, kann bei der Berlinale ebenfalls erkundet werden.
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von (Josko)
Wie jede Berlinale seit 1951 hat auch die des Jahres 2015 eine Retrospektive zu bieten. Mit „Glorious Technicolor“ wendet man sich dem frühen originären Farbfilm zu. Mussten Filme, die in der Anfangszeit des Kinos entstanden sind, um in Farbe zu erstrahlen (per Hand, Viragierung, o.ä.) nachkoloriert werden, wollte das Unternehmen Technicolor schon früh Farbfilm-Aufnahmeverfahren herstellen. Technicolor Nr. 4, ein 3-Farben-Verfahren, brachte den Durchbruch. Jede Aufnahme zeichnete auf drei Filmstreifen – rot-, grün- und blaugefiltert – auf. Diese drei Spuren konnten anschließend überlagert auf einen Zelluloid-Streifen gedruckt und so mittels gängigen Projektoren abgespielt werden. Den Hauptteil der Retrospektive bilden Filme, die eben mittels dieses Verfahrens zwischen 1935, mit dem ersten Technicolor Nr. 4-Langspielfilm, und 1955, dem letzten dieser Art, hergestellt wurden.

Filmemacher, die Farbe eingesetzt haben, mussten dessen Einsatz ästhetisch legitimieren. So wurden viele Filme gedreht, die natürlich die Farbtechnik stark betont haben. Dazu gehören zweifelsohne Musical-Filme, wie George Sidneys „Mississippi-Melodie“ („Show Boat“), Kostümfilme wie „Die drei Musketiere“, mit einem Allstar-Cast von Lana Turner bis zu Gene Kelly, Abenteuer-Filme wie „Die Piratenkönigin“ oder der in Afrika spielende „African Queen“ mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn, welche ich allesamt auf der Berlinale gesehen habe und die mit farbenfrohen Kostümen bzw. Landschaften überzeugen konnten und nach wie vor können. Außerdem zeigt die Retrospektive einige wenige Filme, die mit Hilfe von 2-Farben-Technicolor-Verfahren, welche nicht alle Farben des sichtbaren Spektrums (vor allem eben blau nicht) darstellen konnten, aufgenommen wurden. Als Beispiel eines solchen konnte ich den Stummfilm „Lotosblume“ aus dem Jahre 1922, der eine von Japan nach China transferierte Variante des „Madame Butterfly“-Motivs darstellt, mit Live-Klavier-Begleitung bewundern.



Was die Retrospektive allerdings betont, ist, dass sich die frühen Farbfilme freilich nicht nur auf diese Genres beschränkt haben. Klar ist, dass Farbe für Animationsfilme (Stichwort: Disneys erster Langspielfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“) natürlich auch eine große Sache war, überraschenderweise findet sich im Programm der Retrospektive allerdings z.B. auch ein Film-Noir („Todsünde“) wieder.

An sich kann man filmtechnische Neuerungen unterschiedlicher Zeiten gut miteinander vergleichen. Die mittlerweile nicht mehr ganz so aktuelle 3D-Strömung wirbt mit ähnlichen Taglines, wie damals der Technicolor-Film, nämlich dass ein Film damit realistischer wirkt und man als Zuschauer dadurch tiefer eintauchen könnte. Beide setzen bzw. setzten, schizophren wie sie sind, aber ihre Technik eher für phantastischere Themen ein, die visuell mit der alltäglichen Realität nur wenig zu tun haben.

Falls man „Glorious Technicolor“-Filme auch in Österreich bewundern will, hat man demnächst in Wien die Möglichkeit. Alexander Horwath verlautbarte bei einer Podiumsdiskussion zur Retrospektive, dass das Programm, in einer leicht abgeänderten Version, im Österreichischen Filmmuseum im April zu sehen sein wird.
Der Autor
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Josko

Forum

  • "powered by technicolor"

    ob 3D oder technicolor, größerer realismus in der darstellung wird immer wieder als argument ausgegraben, wenn's grad opportun erscheint...

    mit einer entscheidung für technicolor wurde in den 1930ern/1940ern nicht nur ein großes finanzielles risiko durch höhere produktionskosten eingegangen (die man nicht unmittelbar auf den eintrittspreis überwälzen konnte), mit technicolor "holte man sich auch den schrecken ins studio":
    farbberater (anfangs noch ein angebot an die filmemacher) mussten zusammen mit kameraequipment und ausarbeitung im paket angemietet werden – und die mischten sich so weit in die kreative gestaltung ein, dass kostüme, ausstattung und sogar die farbe des lippenstifts (ein exklusivvertrag mit max factor) von technicolor (mit)bestimmt wurden. mit großem erfolg, durchaus, wenn man an die knallbunte zauberwelt von oz denkt, an den flammenden himmel in "vom winde verweht" oder den roten mund von gene tierney in "todsünde" (oscar für "best cinematography, color") – aber "realismus"?
    technicolor ist nicht doku-realismus, sondern melodrama: wer einmal "die röte des rots" gesehen hat, kriegt sie nimmer aus dem kopf...

    aber die geschichte von technicolor ist keineswegs vorbei, und die retrospektive nur ein zwischenschritt in die gegenwart und zukunft: filme, die mit dem praktikableren und kostengünstigeren, aber schnell verblassenden eastman-color gedreht wurden, werden bereits mit technicolor-kopien restauriert und archiviert – chancen eröffnen sich aber auch im heiß umkämpften 3D-markt, der über zu wenig abspielstätten mit digitaler projektion verfügt (für avatar wurden so viele 70mm-zelluloid-kopien angefertigt wie nie zuvor), sowie im bereitstellen von equipment und kreativlösungen direkt am drehort.
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    16.02.2015, 19:21 Uhr