Diagonale
Das war die Diagonale 2010

Das war die Diagonale 2010

Was nach einem Tag Film- und Festivalabstinenz von der Diagonale 2010 übrigblieb – ein Resümee
von mau
Auf alle Fälle gab es am Abend der Preisverleihung einen besonders glücklichen Gewinner: Hüsein Tabak mit seinem Film „Kick Off“- die Geschichte rund den Homeless World Cup. Der konnte sich gleich über zwei Preise freuen, den Publikumspreis der Kleinen Zeitung und den Preis der Jugendjury. Schön, wenn Geschichten an ihren Usprung zurückkommen und dann noch den nötigen Respekt in Form von Preisen erhält: 2003 fand nämlich in Graz der erste Homeless World Cup statt – das Jahr als Kulturhauptstadt hat uns also auch nachträglich nicht nur die Ausdehnung der Blauen Zone in Graz gebracht. Der anfangs sprachlose und den Tränen nahe Regisseur erzählte nach dem Erhalt seiner zweiten Auszeichnung Heiteres von seinen Mentoren wie zum Beispiel Michael Haneke. Der ging übrigens – fast unausweichlich – auch nicht leer aus; zumindest erhielt der Kameramann Christian Berger vom Verband der Österreischischen Kameraleute AAC den Diagonale-Preis für die beste Bildgestaltung für „Das weiße Band“.

Betrachtet man das Programm der heurigen Diagonale, die Preisträger und hat man die rund um das Festival stattfindenden Diskussionen verfolgt, erkennt man das Voranschreiten, wenn nicht Voran-Galoppieren des Dokumetarfilms. Seit den 90er sei eine Aufwertung des Genres spürbar – bermerkten einige Fachleute, jetzt ist seine Zeit wirklich gekommen. Der Dokumentarfilm rückt sein in der breiten Öffentlichkeit verstaubtes Bild der reinen Informationsquelle zurecht und zeigt seinen Facettenreichtum; die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm scheinen zunehmend, spielend zu verschwimmen. Das neue Interesse zeigt sich in der Wahl der Presiträger: Sowohl die Jugend als auch das breite Publikum haben nicht einen Spiel-, sondern einen Dokumentarfilm zum besten Film gewählt. Sie haben somit ein Zeichen gesetzt, das hoffentlich auch Eingang in das Programm des ORFs findet. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Dass der Östereichische Film nicht am Ende ist, sondern von sich reden gemacht hat, und das zu Recht, zeigte die Diagonale eindrucksvoll. Bei dem wirklich vielseitigen Programm kam weder der Experimentalfilm noch der Spiel- und Dokumentarfilm zu kurz. Man wagte sich schwer Verdaubares zu zeigen, aber auch leichtere Kost; und konnte wahre Schätze des Films entdecken, wie „New York ... November“ – der erfreulicherweise und verdient den Preis für den besten Schnitt erhalten hat – und „Rammbock“. Wenn Letzterer ein Beispiel für die zukünftige Art des Österreichischen „Horror“-Films ist, dann kann das Grauen ruhig des Öfteren Einzug halten.

Aufschlussreich waren auch die Rahmenveranstaltungen der Diagonale wie zum Beispiel „IM GESPRÄCH: 10 Jahre dok.at. Reality Check – zum Status des Dokumetarfilms in Österreich.“ uvm.

Was sich für mich rückblickend als roter Faden durch das Festival gezogen hat, war die Darstellung einzelner Personen bzw. Figuren mit ihren guten und schlechten, bis tief bösartigen Charaktereigenschaften. Insgesamt wurde wenig polarisiert, sondern vielmehr immer ein offener, kritischer Zugang zu einem Thema gesucht; unabhängig vom Genre. Die Eindeutigkeit hat eindeutig den Kürzeren gezogen! Gut so, weiter so! Barbara Pichler war mit ihrer Filmauswahl mutig, manchmal zu mutig, aber erstens ist vieles subjektiv und zweitens: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Die 1.200 akkreditierten Journalisten und Branchengäste und die 18.000 regulär verkauften Tickets zeigen das stiegende (inter)nationale Interesse an der Diagonale und bestätigen die Arbeit der Neo-Intendantin.



Auf die Diagonale 2011 freue ich mich trotz der leichten Rest-Ermüdungserscheinungen.
Die Autorin
mau

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