Filmkritik zu Capote

Bilder: Sony Pictures Fotos: Sony Pictures
  • Bewertung

    Gut gespielt aber ohne Pepp

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2006
    Schon im Vorfeld gab es rund um Bennet Millers erst zweite Regiearbeit einiges an Wirbel, im positiven Sinne: gleich mit fünf Oscar-Nominierungen wurde der Film überschüttet und auch einen Golden Globe gab es bereits für P.S. Hoffmann. Hier in Berlin läuft der Film im Wettbewerb um den Goldenen Bären. Tendenziell bleibt einer jeden Jury das zuletzt Gesehene am besten in Erinnerung, so gesehen war es sicherlich keine schlechte Fügung, dass der Film erst heute, am letzten Tag des Wettbewerbs gezeigt wurde. Andererseits haben alle Journalisten und auch die Jury mehr als 20 Filme gesehen und empfinden den Film so möglicherweise nicht mehr so neutral wie vielleicht zu Beginn des Festivals.

    Und er macht es seinen Zusehern auch nicht wirklich leicht: wäre nicht die herausragende Leistung der Hauptdarsteller P.S. Hoffmann und Clifton Collins Jr.), würde sich der Film noch mehr hinziehen als er es ohnehin schon tut. Und in der Originalfassung ist die hohe Stimme Capotes (sicherlich ein Detail der historischen Figur) über die Länge des Filmes ziemlich anstrengend anzuhören. Meiner Meinung nach kehrt P.S. Hoffmann außerdem die Homosexualität Capotes ein wenig zu plakativ (z.B. über die Art, wie er sein Glas hält) und zu vordergründig heraus. Er wirkt so immer ein wenig wie eine Karikatur der Originalperson, aber nicht wie sie selbst. In der Nebenrolle sehen wir Catherine Keener als Capotes beste Freundin Harper Lee, die Capote schon aus seiner Kindheit kannte.

    Als sie sich für ihre Rollen vorbereiteten, so erzählen Keener und Hoffmann bei der Pressekonferenz, hatten sie unterschiedliche Ausgangssituationen: über Capote gab es wenigstens Archivmaterial, über Harper nur wenige Informationen. So mußten sich beide aber über weite Strecken auf ihre Interpretation der Figuren verlassen. Beiden, Keener und Hoffmann, bedeuten ihre Oscar-Nominierungen „beruflich“, wie sie sagen, sehr viel, persönlich steht für sie die möglichst optimale Auseinandersetzung mit ihren Rollen für jedes Projekt, an dem sie arbeiten, im Vordergrund. Und Sie, Keener, wisse noch nicht, was sie bei der Oscar-Verleihung anziehen werde.

    Als Fazit bleibt Capote einer der Favoriten für die Oscars, wenn auch eher nicht in der ersten Reihe. Und auch für die Berlinale schätze ich die Chancen eher nicht so hoch ein. Als Film ist „Capote“ ein grundsätzlich gut inszeniertes Drama aus der Zeit der 60er Jahre über die Freundschaft zwischen zwei Menschen, die sich unter ungewöhnlichen Umständen kennen lernen und schließlich feststellen, dass sie im Leben ähnliches mitgemacht haben. Das Leid, das sie erfahren haben, schweißt sie zusammen. Für einen kurzweiligen, unterhaltsamen und faszinierenden Kinoabend fehlt „Capote“ aber eindeutig der Pepp.
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    (Markus Löhnert )
    17.02.2006
    22:41 Uhr
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