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  • Bewertung

    Stay? Fight? Or Leave?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Die sexuellen Übergriffe, die sich zwischen 2005 und 2009 innerhalb der Mennoniten-Kolonie Manitoba in Brasilien ereigneten, dienten der Schriftstellerin Miriam Toews als lose Vorlage für ihr Buch „Women Talking“, welches 2018 publiziert wurde. Schauspielerin Sarah Polley verfasste auf Grundlage dessen ein Drehbuch, das sie unter dem gleichnamigen Titel verfilmte. Das Drama stellt Polleys vierten Eintrag als Regisseurin und Drehbuchautorin dar, als Produzent*innen dienten unter anderem Brad Pitt und Frances McDormand (die auch in einer Nebenrolle zu sehen ist).

    Eine Handvoll Frauen - darunter Ona (Rooney Mara), Salome (Claire Foy) und Mariche (Jessie Buckley) - versammelt sich in einer alten Scheune, um ihre Zukunft in der gemeinsamen mennonitischen Gemeinschaft zu besprechen. Der Grund für das Treffen: die Männer der Kolonie verübten körperliche Gewalt an den Frauen, jedes einzelne weibliche Mitglied wurde dabei nachts unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Wie wollen die Frauen nun weiter vorgehen? Bleiben und nichts tun? Kämpfen? Oder die Kolonie verlassen? Lediglich der Lehrer August (Ben Whishaw) soll als einziger männlicher Bewohner der Sitzung beiwohnen und die Gespräche protokollieren.

    „Diese Geschichte endet, bevor du geboren wurdest“: Sarah Polleys Literaturverfilmung beginnt mit der jugendlichen Stimme Autjes (Kate Hallett), die damit - im Gegensatz zu Toews Buch, in dem August die Rolle des Erzählers einnimmt - die Geschichte aus weiblicher Sicht skizziert. Das kammerspielartige Drama konzentriert sich dabei zum Großteil der Handlung auf die Diskussionen, die in einer Scheune stattfinden. Denn, wie der Titel schon vermuten lässt: in „Women Talking“ wird sehr viel geredet.

    Dabei geht es in „Women Talking“ natürlich vordergründig um Selbstermächtigung, wenn Frauen, die in einer sozialen Gesellschaftsordnung aufgewachsen sind, in der sie stets eine untergeordnete Rolle einnahmen, darüber diskutieren, welche Folgen das Handeln der Männer für sie bedeutet. Dem Film gelingt es in diesem Sinne zwar aufzuzeigen, was ihnen dabei wichtig ist bzw. was ihnen fehlt (Wohl der Kinder, gefestigter Glaube, Zugang zu Bildung), allerdings wirken die Dialoge doch sehr konstruiert. Das Drehbuch scheint dabei häufig die Linie eines möglichst zügigen Unterbringens bestimmter Argumente zu verfolgen und verliert dabei leider oft seinen Fokus.

    Daneben wird häufig auf Rückblenden zurückgegriffen, die vor allem zwei Zwecke erfüllen: Zum einen werden hier in kurzen Zwischensequenzen die ungeschönten Folgen der Übergriffe gezeigt, die das emotionale Trauma des Geschehenen nochmal visuell verdeutlichen. Zum anderen werden Anekdoten eingestreut (prominentestes Beispiel: die Pferde Cheryl und Ruth), die die ernste Grundstimmung vermutlich auflockern sollen, dabei aber leider meistens über ihr Ziel hinausschießen. Die Versuche der Einbringung von Humor sind nämlich ein Aspekt, der in „Women Talking“ – zumindest für mich – gar nicht funktioniert hat.

    Das schwierige Konzept, das dem Film zugrunde liegt, kann aufgrund seiner stimmigen Inszenierung aber über dramaturgische Schwächen hinwegtäuschen. Die dumpfe Farbgestaltung, die dabei zum Einsatz kommt, vermittelt nicht nur ein ausgesprochen tristes Bild, sondern ergänzt sich auch besonders gut zur ruhigen Filmmusik von Hildur Guðnadóttir, die schon bei der Miniserie „Chernobyl“ bewies, dass sie durch ihre Musik bestimmte Emotionen evozieren kann. Die Atmosphäre, die durch das Zusammenspiel dieser Elemente entsteht, liefert den Darsteller*innen die perfekte Bühne für nuancierte Performances, unter denen vor allem Claire Foy in ihrer Rolle als aufgebrachte Rachepredigerin hervorsticht.

    Zugegeben, die Möglichkeiten, die „Women Talking“ hinsichtlich seiner Ausführung besitzt, sind aufgrund seines speziellen Handlungsaufbaus schon sehr beschränkt. Gerade deshalb funktioniert aber auch die Konzentration auf das gesprochene Wort so gut – wenngleich dieses doch sehr konstruiert wirkt. Die Darsteller*innen wissen jedoch zu überzeugen, was bei einem so schauspieler*innenbasierten Film wohl ausschlaggebend ist.