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    Thank You For Being Born

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Hirokazu Kore-eda gehört dank Filmen wie „Shoplifters“ oder „Still Walking“ zu den bedeutendsten Regisseur*innen der Gegenwart. Oftmals mit den Werken des japanischen Altmeisers Ozu verglichen, beinhalten seine Dramen häufig philosophische Annäherungen an alltägliche Situationen, die das Konzept von Familie genauer unter die Lupe nehmen. Mit „Broker“ hat der Japaner nun das erste Mal einen Film in Südkorea gedreht; mit den koreanischen Stars Song Kang-ho („Parasite“), Gang Dong-won („Peninsula“) und K-Pop-Sängerin IU (bürgerlich Lee Ji-eun) in den Hauptrollen.

    Die Freunde Sang-hyun (Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won) betreiben illegale Geschäfte: sie entwenden Säuglinge, die zu der von der Kirche betriebenen Babyklappe gebracht werden und verkaufen diese an wohlhabende Familien. Eines Tages bringt die junge Prostituierte So-young (Lee Ji-eun) ihren kleinen Sohn Woo-sung zur Klappe. Als sie nach ein paar Tagen zurückkommt, ist der kleine Junge verschwunden. Als So-young wenig später auf Sang-hyun und Dong-soo trifft und von dem geplanten Kinderhandel erfährt, macht sie sich gemeinsam mit den beiden Männern und dem Waisenkind Haejin (Im Seung-soo) auf, um für Woo-sung einen geeigneten Platz bei einer Wohlstandsfamilie zu finden. Was die chaotische Reisegruppe allerdings nicht ahnt: Die beiden Polizistinnen Su-jin (Bae Donna) und Lee (Lee Joo-young) sind ihnen dicht auf den Fersen.

    Das Thema einer aus der Not heraus entstandenen Gemeinschaft, die eine familiäre oder freundschaftliche Bindung eingeht, ist eine im filmischen Werk Kore-edas häufig verwendete Komponente. Das Konzept der gewählten Familie stellt der japanische Regisseur häufig in das Zentrum seiner Narration, in der Freud und Leid meist ganz nah beieinander liegen. Dieser Aspekt funktioniert auch anhand von „Broker“ äußerst gut, was vor allem der feinfühligen Inszenierung sowie den tollen Darsteller*innen zu verdanken ist. Diese bilden einen auffallend harmonischen Cast, in dem einige der begehrtesten Stars Südkoreas versammelt wurden: egal ob Song Kang-ho als schrulliger Sang-hyun, Gang Dong-won als feinfühliger Dong-soo oder Lee Ji-eun als unnahbare So-young – keinen der Beteiligten möchte man hier missen.

    Leider stattet Kore-eda (von dem auch das Drehbuch stammt) seine Figuren aber auch mit verzichtbaren Hintergrundgeschichten aus und verbindet dabei viel zu viele Subplots miteinander, die sich nicht ganz so gut in die restliche Handlung integrieren. Familiendramen, Thriller-Elemente, Gesellschaftskritik und eine angedeutete Romanze tragen ihren Teil dazu bei, dass man das Gefühl hat, dass zu viele Themem miteinander vermischt wurden. Der eigentliche Fokus des Films - das Zusammenführen einer bestimmten Gruppe an Menschen – wird dabei aber trotzdem nie aus den Augen verloren, wenngleich das Ende wiederum ziemlich gehetzt und lückenhaft erscheint. Die Komik, die in „Broker“ zum Einsatz kommt, funktioniert dafür aber wieder makellos. Im Dramenfach fast schon eine Seltenheit, gliedert sich der Humor hier perfekt in eine Reihe an aufwühlenden oder emotionalen Momenten ein, ohne dabei je gezwungen zu wirken. Und dann zünden sogar relativ gewöhnliche Scherze wie ein Augenbrauen-Gag oder ein Schauspieler, der seinen Text vergisst.

    Gerade deshalb vermag man wahrscheinlich auch so schnell die ernste Thematik vergessen, die dem Film zugrunde liegt: „Ihr tut so, als wärt ihr die Wohlfahrt, aber eigentlich seid ihr Menschenhändler.“ meint Ji-eun während ihrem ersten Treffen mit Sang-hyun und Dong-soo, was die zweispaltige Charakterisierung der Protagonisten perfekt auf den Punkt bringt. Das stellt ein interessantes Detail im Hinblick auf die Skizzierung der Figuren in „Broker“ dar, bei der Kore-eda es schafft, niemals in eine einfache Schwarzweiß-Typisierung seiner Charaktere abzugleiten. Stattdessen zeigt er vielschichtige Personen, die mit den Höhen und Tiefen des Lebens klarkommen müssen.

    „Broker“ ist in diesem Sinne eine buchstäbliche Ode an Empathie und Humanismus. Der Film hält dabei gekonnt die Waage zwischen Drama und Komödie, wobei vor allem die ruhigeren Momente herausstechen. Viele Szenen bleiben auch aufgrund ihrer visuellen Wirksamkeit im Kopf, die signifikante Stilistik von Kameramann Hong Kyung-pyo („Parasite“, „Burning“) ist dabei stets erkennbar. Trotz mancher unnötiger Subplots ist der im Zentrum der Handlung stehende Roadtrip ein regelrechtes Highlight, den trotz aller schwierigen Thematiken eine Leichtigkeit umgibt, die nur Kore-eda zu erschaffen vermag. Und auch wenn die Charaktere moralisch bedenkliche Schritte vornehmen: letztendlich kann man gar nicht anders, als mit ihnen zu sympathisieren.