Filmkritik zu Der Taucher

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    Gefährliches Quartett

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Lena ist gerade dabei ihre Matura zu machen, allerdings nicht in Österreich, sondern in der Wahlheimat vieler Deutschen: auf Ibiza. Sie darf dort leben, wo die meisten nur ein paar Tage im Jahr Urlaub machen können. Doch ihr Leben besteht nicht nur aus Sonnenschein, Strand, Meer und Partys, sondern sie hat mit ihren jungen Jahren schon mehr Traumatisches erlebt als viele in ihrem ganzen Leben. Ihre Mutter Irene hat nach dem Tod ihres Vaters kein glückliches Händchen bei Männern. Sie verliebt sich in einen beeindruckenden deutschen Komponisten, den sie bereits aus den gemeinsamen Urlauben der beiden (damals noch intakten) Familien von früher kennt. Seine dunkle Seite zeigt er den Menschen in seinem Umfeld jedoch erst, wenn es schon zu spät ist. Und so geht auch Irene in seine listig gestellte Falle.

    Wir lernen Lena als kreative Filmemacherin kennen, die in die Fußstapfen ihres Vaters tritt, der ebenfalls Filme gedreht hat. Teile eines Animationsfilms von ihm werden über den Film ausgelegt wie Zuckerstücke, an denen man sich nicht sattessen mag. Doch genauso wie das Werk seiner Tochter ist es durch eine stark melancholische Stimmung und traurige Handlung geprägt. In Lenas Stop-Motion Film verarbeitet sie den Verlust ihres Vaters, dem sie sehr nahegestanden ist und von dem sie viel gelernt hat.

    Nun lebt sie mit ihrer Mutter in einem kleinen süßen Häuschen abseits des Touristentrubels auf der balearischen Insel. Sie sind ein recht ungleiches Team: Lena ist stark und hat eine genaue Vorstellung, was sie mit ihrem Leben machen will und ihre Mutter schwimmt mehr durch das Leben und zerbricht an den Herausforderungen, die ihr in den Weg gestellt werden. Man erfährt nur Stück für Stück, was vorgefallen ist. Gewiss ist aber, dass ihr Expartner Paul sie belästigt, obwohl sie eine gerichtliche Verfügung gegen ihn erwirkt hat, nachdem er eines Abends handgreiflich geworden ist. Irene möchte einfach wieder normal weiterleben und den traumatischen Vorfall hinter sich lassen. Die Gerichtsverhandlung und Pauls Versuche, sie aufzuhalten, lassen das allerdings nicht zu.

    Die Handlung wird aus vier Perspektiven geschildert: der von Lena, Irene, Paul und Pauls Sohn Robert. Jede und jeder der vier hadert mit seinen eigenen Problemen, die jedoch durch ihr Verwandtschafts- und Bekanntschaftsverhältnis regelmäßig ineinandergreifen. Hier wird man an andere Filme erinnert, in denen ein Vierergespann nicht aus seinem begrenzten Kreis ausbrechen kann oder will. Man denke an: „A Bigger Splash“ von Luca Guadagnino oder an „Adore“ von Anne Fontaine. Bei Günther Schwaiger fällt das Zusammenwürfnis hingegen noch etwas tragischer aus. Denn er weicht nicht vor einem mutigen Ende zurück, das bis zum Äußersten geht. Filmisch setzt er es sehr schön in einer Parallelmontage um, in der er zwischendurch zu Lenas Stop-Motion Film umschaltet, hinterlegt mit coolen Beats.

    Der Titel stammt von einer Videokassette, die Robert in den Sachen seiner Mutter findet. Dort sieht er zum ersten Mal den Beweis für das plötzliche Ende der Ehe seiner Eltern und für das Gewaltpotential seines Vaters. Das Schicksal der Gewaltopfer im Film soll den tagtäglichen Verbrechen, die an Frauen begangen werden, gedenken. 2018 war Österreich das Land mit den prozentuell meisten Frauenmorden in der EU. Mit dieser Information schließt „Der Taucher“ und es wird deutlich aus welch traurigem Anlass, die Idee des Films entstanden ist.

    Musik und Bilder wirken in dem wunderschön inszenierten Werk harmonisch zusammen. Schon bereits während der ersten Minuten, macht die Musik auf die Gefahr aufmerksam, die auf die Protagonisten des Filmes lauert. Und auch im aufregenden Finale gibt der Beat von Lenas Filmmusik den schnellen Rhythmus vor. Damit ist Schwaigers Film mit Sicherheit einer der spannendsten Festivalbeiträge der diesjährigen ‚digitalen‘ Diagonale, der nicht zu innovativ ausfällt, um ihn vollends auf der eigenen Couch genießen zu können.