Filmkritik zu The Favourite

Bilder: 20th Century Fox Fotos: 20th Century Fox
  • Bewertung

    Brilliantes Intrigenspiel

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Dass englisches Historiendrama auch anders geht, beweist Yorgos Lanthimos mit seinem neuesten Film „The Favourite“. Am Hofe der britischen Königin Anne gibt es zwar die gewohnten edlen Gemächer, pompösen Kostüme und das Empire ist bedeutsam wie eh und je. Aber das interessiert Lanthimos alles nicht, er reißt launig alles nieder was dem Genre sonst so heilig ist und schafft einen humorvollen, selbstreflektierenden Film, der sich gerne in seinen Pointen zuspitzt und mit zahlreichen zeitlosen Kommentaren gespickt ist.

    Im frühen 18. Jahrhundert geht es am Hofe von Queen Anne (Olivia Colman) rund. Mit Frankreich befindet man sich im Krieg, das Parlament ist gespalten ob man sich eine Fortführung der Schlachten leisten kann. Die Königin selber, von wenig Bildung und Auffassungsgabe, ist daran auch nicht sonderlich interessiert. Ihr Zeitvertreib ist es sich um ihre Hasen zu kümmern, ihre zahlreichen Krankheiten zu kurieren und Zeit mit ihrer Vertrauten und Jugendfreundin Sarah, der Herzogin von Marlborough (Rachel Weisz) zu verbringen. Diese ist es auch die die eigentlichen Geschäfte der Königin führt und ihr zur Aufrechterhaltung der Kriegsführung rät. Der Frieden im Haus wird durch die Ankunft Abigail Hills (Emma Stone) getrübt. Die ärmliche Cousine Sarahs wird zu ihrem Dienstmädchen, wodurch sie auch der Königin näherkommt. Bald befinden sich die eifersüchtige Sarah und die auf eine Rückkehr zu einer Ladyship hoffende Abigail im Clinch um die Gunst von Anne.

    Basierend auf dem wahren Zerwürfnis von Queen Anne mit ihrer engsten Vertrauten, einer Vorfahrin Winston Churchills, spannt Lanthimos ein bizarres, bissiges Bild der englischen Monarchie und des Parlamentarismus. Die Figuren reden ohne Filter, höfisch-formelles Geplänkel ist eine Randerscheinung. Hier wird das Aussehen der Monarchin mit einem Maulwurf verglichen, die Tory Lords rund um Lord Harley (Nicholas Hoult) bewerfen sich mit Orangen und wenn der Höfling Baron Masham (Joe Alwyn) um die Gunst von Abigail buhlt, wird er erst einmal von ihr verprügelt. Und abseits all der kriegsfreudigen Männer in und außerhalb des Parlaments sind es letztendlich die Frauen, die die mächtigsten Verbündeten sind und die meiste Macht haben und deren Gunst jeder zu erwerben ersucht.

    Der simple Spaß aus Ananas essen und Entenrennen veranstalten wendet sich bald einer dunklen morbiden Seite zu, als Sarah und Abigail jeweils versuchen die andere los zu werden. Hier wird gedroht, am Tee rumgemischt und zum Zwecke sogar geheiratet. Die Darsteller verleihen dem Film einen besonderen Schliff, Stone und Weisz wechseln geschickt zwischen einfühlsam, charmant, gewieft bis hin zu geradezu bösartig. Die Krone bleibt aber dort wo sie hingehört, bei Colman. Die kränkliche, dümmliche und bedürftige Anne hätte leicht zu einer Lächerlichkeit verkommen können. Colman jedoch empfängt das Material mit offenen Armen und gibt der bemitleidenswerten Monarchin ein Gesicht das mitfühlen lässt, während es gleichzeitig auch zur Erheiterung zur Schau gestellt wird.

    Es sind aber nicht nur die verbalen Fetzen, die so scharf wie Rasiermesserklingen hin und her fliegen, die den Film so hervorragend machen, es ist auch die Art wie der Film seine Welt präsentiert. Die Kamera gibt dem Geschehen Raum, jede Szene ufert in weiter Tiefe oder Fischaugen-Weitwinkel aus. Die Welt ist somit so surreal wie der Prunk und das Leben zu Hofe, erscheint größer und mächtiger als sie eigentlich ist.

    „The Favourite“ bringt sich somit im Wettbewerb bereits in Pole-Position für die höchste Auszeichnung. Ein Film, der einem eingetrocknetem Genre so viel frischen Wind einhaucht, hätte es auch redlich verdient.
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    (Susanne Gottlieb)
    31.08.2018
    23:26 Uhr
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