Filmkritik zu Dovlatov

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Künstlerleid in der Sowjetunion

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Wer will schon Ironie und Alltag, wenn er Heldenepen und griechische Tragödien haben kann? Zumindest sehen es die sowjetischen Verleger so, wenn sie Schriftsteller und Journalist Sergei Dovlatov wieder eine Absage erteilen. Niemand interessiert sich für satirische, kritische, dem Leben entnommene Werke. „Dovlatov“, der neue Film des russischen Regisseurs Alexey German Jr., begleitet den realen Autor, angesiedelt im Jahr 1971, eine fiktive Woche lang durch dessen Leben im sowjetischen Leningrad. Eine Welt, die für ihre Künstler wenig übrighat.

    November 1971: Es ist die Ära Leonid Breschnews, der Westen und Osten nähern sich langsam an, die seit dem Kalten Krieg verhärteten Fronten weichen langsam auf. Innerhalb des Staates herrschen dennoch weiter Repressionen. „Wir werden ausgelöscht“, tönt es auf einer der zahlreichen Künstlerabende die Sergei Dovlatov (Newcomer Milan Marić in einer hervorragenden Leistung) regelmäßig besucht. Gemeinsam mit seinen Kollegen und Freunden trifft er sich regelmäßig zu Leseabenden, philosophischen Gesprächen und Wodka und Zigaretten. Sie alle, die Poeten, Dichter und Maler teilen ein Schicksal: in der Sowjetunion der 70er ist kein Platz für sie. Dovlatov versucht sich als Journalist sein Geld zu verdienen, aber auch das nur mit mäßigem Erfolg. Zu zynisch, zu sarkastisch sind seine Texte. Für die Arbeiter hat er nur Spott übrig, bei einem U-Bahnbau berichtet er lieber über die gefundenen Kinderleichen aus dem Zweiten Weltkrieg. Es ist ein Leben zwischen kreativer Erquickung im kleinen Kreis und den realen Sorgen in einer Gesellschaft, die sich nur für die Epen vergangener Jahrhunderte erwärmen kann.

    Dovlatov sowie sein Kollege Joseph Brodsky (Artur Beschastny), dem im Film ebenfalls eine kleine Rolle zukommt, gehören heute zu den wichtigsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Einst verboten, zieren heute ihre Denkmäler die Straßen. Doch es ist kein Ruhm, den ihnen das Heimatland ermöglichte. Beide emigrierten im Laufe ihres Lebens in die USA, wo sie schließlich auch publiziert wurden. Sie sind jedoch keine Dissidenten, wie German Jr. betont. Sie waren einfach nur Künstler, die arbeiten wollten. German Jr. weiß wovon er spricht. Der eigene Vater, der selbst auch als Regisseur tätig war, musste die eigenen Filme vor der Zensur unter dem Bett verstecken. Der Film sei eine Warnung, was in Zukunft passieren könnte, wenn die Filmlandschaft eingeschränkt wird. Eine Abwertung Russlands ist der Film jedoch nicht. German Jr. schätzt sein Land, sieht aber dessen Schwächen.

    Durch diese Verwobenheit aus Frustration und Heimatliebe entfaltet der Film seine komplexe Wirkung. Ein westlicher Regisseur wäre vielleicht dazu verleitet gewesen, die UdSSR zu sehr als Antagonisten aufzubauen. German Jr. verleiht seinen Figuren jedoch eine stoische Ruhe, charakterisiert ihre Hilflosigkeit über die genaue Zeichnung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Ja, die Künstler sind verzweifelt wovon sie leben sollen. Aber Dissidenten werden weiterhin als bemitleidenswert gesehen. Wo solle er denn schon hingehen, fragt Dovlatov wiederholt seine Freunde.

    Ebenfalls bemerkenswert sind die Kostüme und das Production Design des Films. Als Zuschauer wähnt man sich zu keiner Sekunde in einem Kostümdrama, vielmehr wirkt der Film, als würde man durch ein magisches Guckloch direkt in die 70er blicken. Ausstatterin Elena Okopnaya hat mit viel Liebe zum Detail eine vergangene Ära wieder auferstehen lassen. Sogar die Tapeten an den Wänden wurden im Sowjetstil gestaltet und gedruckt. Der leicht Sepia-haltige Farbton der Bilder von Łukasz Żal erinnert an leicht vergilbten Fotoalben, eine Montage aus Erinnerungsschnappschüssen.

    Woran die Qualität des Filmes letztendlich leider etwas zu nagen hat, ist die Länge. Die zwei Stunden Laufzeit bieten auf Dauer wenig Abwechslung, German Jr. schickt seine Charaktere auf einen Ritt in einem sich wiederholenden Karussell aus „Ablehnung von redaktionellen Texten – Frustration – Name Dropping auf Künstlerpartys“ ohne einen Pausenknopf. Die Dramaturgie verliert sich, die Plot Points ziehen sich wie Kaugummi. Eine halbe Stunde weniger hätte dem Film Wunder getan. So hat der Zuschauer, ähnlich wie der anfangs noch so zynische Dovlatov, am Schluss nur mehr wenig Freude und Sympathie.
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    (Susanne Gottlieb)
    04.03.2018
    23:21 Uhr
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