Bilder: 20th Century Fox Fotos: 20th Century Fox
  • Bewertung

    Diese Hunde sind brave Jungs

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Was haben eine zugemüllte Insel voller Hunde und Japan gemeinsam? Eigentlich nicht viel, wie auch Wes Anderson zugibt. Aber es war diese Herausforderung, zwei komplett getrennte Ideen miteinander zu kombinieren, derer er sich mit seinen Drehbuchautoren Roman Coppola, Jason Schwartzman und Kunichi Nomura annahm. Herausgekommen ist ein Film über Selbstfindung, Loyalität und auch irgendwie eine politische Parabel zum Thema Flüchtlinge.

    20 Jahre in der Zukunft, in der fiktiven japanischen Metropole Megasaki City, lässt der hundehassende Bürgermeister Kobayashi (Kunichi Nomura) alle Hunde auf „Trash Island“, eine auf einer Insel gelegene Mülldeponie vor den Toren der Stadt, deponieren. Als erstes tritt Spots (Liev Schreiber) die Reise auf die Insel an. Er ist der Leibwächter von Kobayashis 12-jährigen Neffen Atari (Koyu Rankin). Diesem gefällt die Trennung gar nicht, und er macht sich alsbald in einem Flugzeug auf den Weg zur Insel um seinen Gefährten wieder zu finden. Dort trifft er auf die Hundebande Chief (Bryan Cranston), Rex (Edward Norton), Duke (Jeff Goldblum), Boss (Bill Murray) und King (Bob Balaban). Das Rudel begleitet ihn auf der Suche nach Spots, während Kobayashis Handlanger immer wieder versuchen, den Jungen und das Rudel einzufangen.

    „Isle of Dogs“ ist Andersons zweiter Animationsfilm nach „Fantastic Mister Fox“. Inspiriert vom Stil des japanischen Altmeisters Akira Kurosawa und des Animationsfilmgenies Hayao Miyazaki lässt er erneut seine Figuren durch analoge Stop-Motion zum Leben erwecken, diesmal in einer phantastischen Version von Japan. Dabei werden die Puppen in einem aufwendigen Verfahren Millimeter um Millimeter bewegt, um so den Eindruck von Bewegung zu schaffen. Aber nicht nur der Animationsprozess, auch der Stimmcast imponiert. Bryan Cranston, Edward Norton, Liev Schreiber, Bill Murray, Jeff Goldblum, Scarlett Johansson und Tilda Swinton sind nur ein Teil einer Gruppe, die Bill Murray treffenderweise als das „We Are The World“ der Synchronisation bezeichnet.

    Dieser tierischen Stimmgewalt steht eine der interessantesten Kunstgriffe des Films gegenüber: die menschlichen Charaktere sprechen bis auf wenige Ausnahmen nur japanisch ohne Untertitel. Um diesen Teil der Handlung daher verständlich darzustellen, greifen die Macher tief in die Trickkiste. Wiederholte Exposition durch Dialog oder Textinserts, Übersetzungen von Fernsehkommentatoren und Austauschstudenten, ein dramatischer Erzähler und das Durchbrechen der vierten Wand geben dem Film einen unterhaltsamen Spin.

    Zu stolpern beginnt die Handlung in anderen Bereichen, vorwiegend im finalen Akt und der Charakterentwicklung der Figuren. Ataris Rudel wird nach mehr als der Hälfte des Films der narrative Fokus entrissen, Nebencharaktere rücken plötzlich in den Vordergrund. Die Entwicklung und Etablierung gewisser Figuren wird zunichtegemacht um Konflikte leichter aufzulösen und Strohmänner werden in letzter Minute eingeführt. Je mehr sich der Film von seiner Ausgangsprämise, der Reise quer über die Insel auf der Suche nach Spots entfernt, desto schwächer wird er.

    Das ist schade, da er eigentlich eine wichtige Botschaft vermitteln möchte. Nicht von ungefähr erinnern die Hunde an die Flüchtlinge die nirgends willkommen sind. Die zum größten Übel in einer Gesellschaft ernannt werden, die weit schwerwiegendere Probleme hat. In Andersons Welt bewegen sich die Figuren durch ein Ödland aus verseuchtem Müll, Tsunami- und Erdbebenschäden und Kobayashi starrt in düsterer Big Brother Manier von Plakaten auf die Menschen herunter.

    „Wer sind wir und wer möchten wir sein“ fragen die Hunde. Sie sind ihrem Umfeld voraus und wissen um ihre prekäre Situation. Ihre Abhängigkeit von Menschen und die Enttäuschung durch diese ist eine sich fast zwanghaft aufdrängende Parabel auf unsere Gesellschaft. Letztendlich fehlt dieser unausweichlichen Konfrontation zwischen Kobayashi und den Verstoßenen dann aber doch etwas, was auch Streuner Chief über den Lauf des Films verliert: der Biss.
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    (Susanne Gottlieb)
    15.02.2018
    22:29 Uhr
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