Filmkritik zu 12 jours

Bilder: Wild Bunch Fotos: Wild Bunch
  • Bewertung

    Ausweglose Behandlung

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Menschen werden ihrer Rechte enthoben, um sich und/oder andere nicht weiter zu gefährden. Diese Verfahren, die in Frankreich spätestens nach 12 Tagen einer Zwangseinweisung geschehen müssen, verfolgt Raymond Depardon mit einfachen Kameraeinstellungen. Die Schlichtheit der Filmsituation will der Regisseur nutzen, um den Emotionen der Patienten eine Bühne zu geben. Die Reaktionen gehen dabei u.a. von Hilflosigkeit zu Unverständnis, Zorn und Trauer. Die Zwangseingewiesenen sind dabei den Entscheidungen der Richter ausgeliefert, wobei diese immer wieder betonen, dass sie sich auf die Befunde der Ärzte stützen. Dies ist nun eine groteske Situation, da diese Ärzte bei den Verfahren gar nicht anwesend sind und sich die Patienten in Folge gegen deren Beschlüsse nicht wehren können.
    Diese grotesken Situationen scheinen auch mancher richterlichen Instanz bewusst zu sein, da diese in einigen Fällen wirken, als würden sie gerne etwas Anderes entscheiden, dies aber nicht können. Sie machen Dienst nach Vorschrift, lassen den Eingewiesenen und dessen Anwalt zu Wort kommen, um letzten Endes immer den Antrag auf Verlängerung der Behandlung in der Anstalt auszustellen. Ratlosigkeit ist somit nicht nur den Patienten ins Gesicht geschrieben. Diese Ausweglosigkeit umrahmt der Regisseur mit Einstellungen von der Anstalt. Den Gängen, Räumen, Betten und der Außenflächen, mit ihren hohen Umzäunungen. Die Bilder machen die Einsamkeit, die in der Anstalt vorherrscht sichtbar und derer Auch die Insassen ausgeliefert sind. Es wird ersichtlich, dass ein Leben in dieser Umgebung Zwangsweise zu keiner Verbesserung des psychischen Befindens führen kann. Mit dem Zusammenschneiden von dem grotesk, ausweglosen richterlichen Verfahren und der im höchsten Maße unwohnlichen Umgebung der Anstalt macht Depardon die schreckliche Lage der Patienten auf einfache Art und Weise für Außenstehende sichtbar. Obwohl keine direkte Interviewsituation mit den Patienten gegeben ist und man nur diese strikten Verfahren beobachtet werden die Innensichten der Menschen offengelegt und man beginnt mit diesen mitzufühlen.

    „12 jours“ erzählt nicht eine Geschichte mit klassischen Spannungsbogen, sondern viele Geschichten mit scheinbar unausweichlichen Enden ohne Happy End. Die stetige Wiederholung der Verfahrenssituation mag ernüchternd wirken und das soll sie wahrscheinlich auch. Der Regisseur will jedoch mit der schlichten Herangehensweise an das Thema die Hilflosigkeit der Patienten darstellen und das wird, ohne Frage, mehr als deutlich. Es ist kein Film der gesehen werden muss, aber gesehen werden sollte. Er gibt Einblick in die Situation von Menschen, die sonst von der Gesellschaft isoliert und oftmals verachtet werden. Und solche gesellschaftlichen Vorurteile sollten in diesem und auch anderen Fällen immer wieder aufgebrochen werden, um eine Gesellschaft des besseren Zusammenlebens möglich zu machen.
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    (Daniel Pramberger)
    22.10.2017
    15:44 Uhr

12 jours

Frankreich 2017
Regie: Raymond Depardon