Filmkritik zu Alien: Covenant

Bilder: 20th Century Fox Fotos: 20th Century Fox
  • Bewertung

    Body Horror meets Space Soap Opera

    Exklusiv für Uncut
    Im Jahre 1979 schuf der damals noch recht unbekannte Brite Ridley Scott eine unerwartete filmische Sensation: Sein Sci-Fi-Horrorfilm „Alien“ rund um eine Raumschiffbesatzung, die gegen Ende des 21. Jahrhunderts durch eine Fehlfunktion auf einem Planeten landen muss und dort Stück für Stück von einem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt abgemetzelt wird, brachte einem Millionenpublikum das Fürchten vor dem All bei und gilt bis heute als einer der wichtigsten und revolutionärsten Vertreter des Science-Fiction-Genres. Durch Sigourney Weavers Ripley lieferte der Film zudem eine der ersten Verkörperungen einer starken weiblichen Persönlichkeit im Genrekino. Das damals vom Schweizer Künstler H.R. Giger gestaltete außerirdische Wesen, später Xenomorph getauft, avancierte rasch zu einem der meist-referenzierten und populärsten Monster der Kinogeschichte. Aufgrund der Lobeshymnen gegenüber dem ersten Teil, rissen sich Studios um die Lizenzrechte der künftigen Marke „Alien“, um Ripleys Kampf gegen die außerirdischen Wesen fortzusetzen.

    Dabei wurde Ripleys Arc anhand von drei weiteren Sequels fortgeführt, bei denen jedoch nicht Scott die Regie übernahm, sondern stets ein anderer Filmemacher, um die außerirdischen Kreaturen aus verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten. Während sich Scott im ersten Teil noch auf den durch ein einziges Alien ausgelösten psychischen Horror konzentrierte, erhöhte James Cameron für den Nachfolger „Aliens“ (1987) die Quantität der Außerirdischen und setzte sich in seinem deutlich action-geladeneren Werk mit der Physik und Beweglichkeit der Wesen auseinander, stand in puncto Qualität dabei dem Vorgänger jedoch in nichts nach. Zwar konnten die beiden darauffolgenden Fortsetzungen „Alien³“ (1992) und „Alien – Die Wiedergeburt“ (1997) den Vorgängern in keinster Weise das Wasser reichen, jedoch präsentierten auch hierfür die mittlerweile renommierten Filmemacher David Fincher (u.a. „Fight Club“, „Se7en“, „The Social Network“) und Jean-Pierre Jeunet (u.a. „Die Fabelhafte Welt der Amelie“) ihre eigene Sicht der Dinge.

    Nach Teil 4 stand es abgesehen von Paul W. S. Andersons zwei peinlichen Versuchen die Alien- mit der Predator-Reihe zu kreuzen (2004, 2007), lange Zeit ruhig um das Franchise. Ridley Scott selbst war bereits lange daran interessiert sein eigenes Baby in Form eines Prequels zu revitalisieren. 2012 schaffte Scott es diesen Plan in die Tat umzusetzen und realisierte unter dem Titel „Prometheus“ seinen ersten Sci-Fi-Film seit „Blade Runner“. Hierbei wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern angeführt von Dr. Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und begleitet vom Androiden David (Michael Fassbender) erzählt, die nach dem Fund von Wandmalereien, die riesenhafte Wesen und eine Sternenformation zeigen, die Reise zu einem viele Lichtjahre entfernten Mond antritt, um sich auf die Suche nach den Ursprüngen der Menschheit zu begeben. Dort angekommen treffen sie jedoch stattdessen auf die Vorstufe der tödlichen Xenomorphs und müssen um ihr Überleben bangen. Unter dem Titel „Alien: Covenant“ liefert der mittlerweile 79-jährige Filmemacher die offizielle Fortsetzung und schließt an die Ereignisse von Prometheus an. Erzählt wird von den Crew-Mitgliedern des Kolonie-Raumschiffs „Covenant“, die Jahre nach dem Verschwinden der Besatzung der „Prometheus“ begleitet vom Androiden Walther (ebenfalls Michael Fassbender) auf einem weit entfernten Planeten landet, um das unerforschte Territorium zu untersuchen. Kurz nach der Ankunft trifft die Crew auf den Androiden David, der sich als einziger Überlebender der Prometheus-Besatzung preisgibt und sie schon bald müssen feststellen, dass das vermeintliche Paradies tödliche Gefahren in sich birgt.

    Herausgekommen ist bei Scotts mittlerweile drittem Werk im Alien-Universum wunderbar effektiv in Szene gesetzter Sci-Fi-Horror, der jedoch auch an groben Problemen zu leiden hat. Die Schockmomente des Films erinnern dabei stark an klassische Body-Horror-Streifen aus den 70er- und 80er-Jahren. Durch authentisches Make-Up und nicht an Blut sparenden Gore-Effekten erzeugt der Film in seinen besten Momenten eine Spannung, die auf positivste Art und Weise an Scotts originalen „Alien“-Film erinnern lässt. Ohne einen Aspekt hätte die Suspense der Horrorszenen wohl kaum so gut funktioniert: die Schauspieler. Von den Neuzugängen wäre allen voran besonders Katherine Waterston (u.a. „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“,„Inherent Vice“) hervorzuheben, die zwar in manch Moment zu stark an Sigourney Weavers Ripley erinnert, jedoch durch ihr angstdurchdrungenes Gesicht die erschreckende Atmosphäre des Films verstärkt. Eine überraschende Performance konnte zudem der sonst hauptsächlich aus Low-Brow-Comedies bekannte Danny McBride (u.a. „Your Highness“, „This is the End“) darlegen, dem es hier als cowboytragender Chefpilot Tennessee gelang, sowohl seinen typischen Charme als auch seine ernste Seite zu präsentieren. Das schauspielerische Highlight bietet jedoch wie bereits auch im Vorgänger Michael Fassbender, der mit seiner unheimlichen Darstellung des humanoiden Androiden David für einige der originellsten Momente des Films verantwortlich war.

    Da Fassbender mit seiner weiters überzeugenden Performance als Roboter Walther eine Doppelrolle übernommen hat, wirken insbesondere die Konversationen zwischen seinen beiden Charakteren faszinierend. Hinzu kommt ein tolles Setdesign, das die gesamte Umgebung, egal ob sich die Charaktere nun am Planeten oder am Board des futurischen Raumschiffs befinden, sehr organisch und real wirken lässt. Auch wenn die Alien-Momente des Films sehr gut funktionieren, war ich von den computergenerierten Xeno- und erstmals erscheinenden gräulichen Neomorphs etwas enttäuscht. Das sehr artifizielle und wenig detailreiche Design der Alien-Kreaturen wird dabei dem unfassbar aufwändig gestalteten und handgemachten Kostüm von HR Giger leider in keinster Weise gerecht.

    Die größten Schwächen des Films sind jedoch leider die zwischenmenschlichen Interaktionen, die trotz des überzeugenden Casts sehr schwülstig und kitschig rüberkommen, was dem Film in manchen Momenten gar einen unverdienten Soap-Opera-Charakter verleiht. Es fällt einem als Zuschauer bei den meisten Charakteren schwer eine wirkliche Beziehung aufzubauen, da diese zum Großteil reißbrettartig geschrieben wurden. Ärgerlich ist auch die Unübersichtlichkeit der ausufernden Actionsequenzen des Films. Erwähnenswert wäre hierbei eine Sequenz, in der ein Alien der Besatzung am Deck des Raumschiffes auflauert. Durch hektische Schnitte und einem zu CGI-lastigen Look lässt die Action dieser Szene sämtliche Dynamik vermissen.

    Letztendlich lässt sich somit sagen, dass „Alien Covenant“ interessantere Charaktere und ein fokussierteres Skript durchaus gut getan hätten, jedoch kann man durch effektiv eingefangenen Horror und besonders Michael Fassbenders faszinierendem Spiel, das Gesamtergebnis immerhin als sehenswert bezeichnen. Man darf gespannt sein, in welche Sphären Altmeister Ridley Scott die „Alien“-Reihe noch mit den bereits angekündigten weiteren Fortsetzungen befördern wird.
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    (Christian Pogatetz)
    29.05.2017
    22:20 Uhr