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  • Bewertung

    Wolverines Abgesang als brutaler Western

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Das war es wohl. Das war nicht nur das letzte Mal, dass das Kinopublikum Hugh Jackman als Wolverine sehen wird, es war auch der Film, den sich viele seit Wolverines erstem Sologang 2009, „X Men Origins: Wolverine“ gewünscht hatten. Gemessen an der Tatsache, dass Hugh Jackman sich mit seiner Darstellung des kanadischen Mutanten mit den messerscharfen Klingen im Jahr 2000 in die A-Liga der Hollywoodstars katapultierte und seine Figur nicht nur einer der populärsten Mutanten ist, sondern auch quasi in jedem X-Men Film einen Auftritt hatte (Deadpool ist Auslegungssache), war es traurig zu sehen wie qualitativ durchschnittlich bis schlecht seine Solo-Abenteuer bisher waren.

    Dass „Logan“ sich von seinen Vorgängern „X Men Origins: Wolverine“ und „The Wolverine“ abhebt hat mit mehreren Faktoren zu tun. Die Geschichten, die sich rund um den ersten Wolverine-Film ranken, sind soweit bekannt. Produzenten die sich ständig einmischten, was sogar so weit ging, dass heimlich nachts ein Set neu gestrichen wurde oder neue Skriptseiten, die in der Nacht vor dem Dreh an die Filmcrew geschickt wurden. Das Ergebnis war ein chaotischer Film, der nicht einmal Hugh Jackman glücklich machte. Regisseur Gavin Hood verließ anschließend den Regiesessel und James Mangold übernahm 2013 für „The Wolverine“. Die Produzenten ließen diesmal den nötigen Freiraum, so dass Mangold und Jackman die Geschichte erzählen konnten die ihnen am Herzen lag. Der Film kam auch deutlich besser bei den Kritikern an, lediglich der dritte Akt wurde als „zu cartoonhaft“ bezeichnet.

    Auch bei „Logan“ hatten der zurückkehrende Mangold und Jackman wieder freie Hand den Film zu machen den sie im Kopf hatten. Viel mehr noch, diesmal erlaubte Fox ihnen eine R-rated Film zu drehen. Die Befürchtung, durch diese Bewertungskategorie jüngere Zuschauer und daher Einnahmen zu verlieren, war durch den Überraschungserfolg „Deadpool“, ebenfalls R-rated und einer der finanziell erfolgreichsten Marvel-Filme aller Zeiten, als nicht begründet erwiesen worden. Somit wird „Logan“ der wilden Natur seines namengebenden Protagonisten gerecht. Hier werden Menschen aufgespießt und zerstückelt, hier fließt Blut in allen erdenklichen Rottönen, hier findet man sich in einer düsteren futuristischen Welt wieder und nicht in einem bunten Comic-Setting.

    Die Handlung mag zwar im Jahr 2023 spielen, angelegt ist „Logan“ aber wie ein Western mit Elementen eines Roadmovies. Ein alter abgehalfterter Held, der sich gegen eine Reihe Banditen wehren und seine Mitbürger beschützen muss. In diesem Film ist es Wolverine, im Winter seines Lebens angekommen, der die junge Laura, eine Mutantin die gemäß der geteilten DNA ebenfalls ein hübsches Paar Adamantiumklauen besitzt, vor ihrem Schöpfer Zander Rice und seinen Reavers, einer Gruppe Cyborgs schützen muss. Da es keine Schule für Mutanten mehr gibt, keine X-Men und sowohl Wolverine als auch Professor X nicht mehr lange kampftauglich sein werden, müssen sie sich Lauras Wunsch beugen das mysteriöse „Eden“, angeblich eine sichere Zuflucht für Mutanten, zu erreichen. Um dorthin zu gelangen starten die drei einen Trip von Mexiko quer durch die USA nach North Dakota, von wo Laura mit den anderen Klonen über die Grenze fliehen will.

    Dass Wolverine keine ausgeprägte soziale Ader oder optimistisches Grundwesen besitzt überrascht auch in diesem Film nicht. Es sind vielmehr seine Mitspieler, die den dunklen Grundton des Filmes verdeutlichen. „Warum lässt du mich mit dem verdammten Albino allein“, schreit Charles Logan an, als dieser ihm seine Kräfte unterdrückenden Medikamente geben will. Gemeint ist der Mutant Caliban, der zu Beginn des Film Professor X betreut. Es muss viel Negatives seit „Days of Future Past“ passiert sein damit Charles, Verfechter der Diplomatie, der offenen Gesinnung und dem Seher des Guten in allen in solch eine Ausdrucksweise verfällt. Als Logan nach Übermüdung in einer Arztpraxis landet wird er nicht mehr wie in vorangegangenen Filmen von den Menschen angefeindet, sondern wie ein faszinierendes Kurisorium aus einer längst vergangenen Zeit behandelt. Eine Spezies, die am Aussterben ist und deren Besonderheit der Mensch erst just in diesem Moment erkannt hat. Eine treffende Parallele zur realen Welt und eine Spezialität der Fox-Men.

    Das Fehlen jeglicher Comic-Popcorn Welt ist nicht nur dem Skript geschuldet. Auch in der optischen Inszenierung lässt Mangold keinen Zweifel daran, dass er eine sehr geerdete düstere Geschichte erzählen wollte. Die Kader sind stets gelb getüncht, als würde in einer Tour Sand aufgewirbelt werden und die Sonne auf die Häupter brennen. Die Menschen und Gegenspieler, auf die Logan und Laura treffen und gegen die sie kämpfen, sind bis auf die Truppe rund um Rice keine Regierungsbeauftragen, mächtigen Mutanten oder künstlichen Intelligenzen. Es sind Tankstellenmanager, Pferdezüchter und Cowboy-Rowdies mit Baseballschlägern. Die Kämpfe sind keine bildgewaltigen CGI-Orgien, sondern Mann gegen Mann oder auch Kind gegen Mann, jeder gegen jeden. In diesem Mikrokosmus aus Hieben gegen das Gegenüber entsteht eine Orgie der plastischen Darstellung und der Gewalt. Körperteile werden abgesäbelt, Blut spritzt und Kugeln aus dem Körper rausgepresst. Immer wieder lässt Mangold die Kamera anschließend im Close-up über Logans Körper schwenken. Hier ist klar, dieser Mann trägt Wunden davon die nicht mehr heilen. Er ist nicht mehr die übermenschliche Kampfmaschine aus den alten Filmen.

    Letzten Endes kommt der Film an einem Punkt an, wo er leider wieder etwas nachlässt. Der dritte Akt ist ähnlich wie bei „The Wolverine“, wenn auch aus anderen Gründen, schwach geraten und verliert etwas an Dynamik. Zwar ist es nachvollziehbar, dass Wolverine in diesem Film die Staffel an die nächste Generation von (Klon-)Mutanten abgibt, dennoch gerät er zu sehr in den Hintergrund in seinem eigenen Film, wodurch das Ende etwas abflaut. Es gibt auch keine sonderlichen inhaltlichen Überraschungen. Logans Handlungsstrang ist eine Einbahn, deren Ende man schon unausweichlich seit der ersten Sekunde auf sich zurasen sieht. Dies ist jedoch soweit zu verschmerzen, als dass der eigentliche Star dieses Films nicht Jackman selber ist, sondern die 11-jährige Dafne Keen, die ihre älteren Kollegen glatt an die Wand spielt. Nach Milly Bobby Brown im Vorjahr die nächste große Kinderschauspiel-Entdeckung.

    Was den Film letztendlich für mich persönlich zu etwas Besonderem machte ist seine Bandbreite an Konflikten. Klassischerweise unterteil man die Konflikte in Mensch versus Mensch, Mensch versus Selbst und Mensch versus Natur. Seit dem ersten X-Men Film im Jahr 2000 haben diese als Allegorie auf das feindselige Verhalten der Menschen gegenüber dem ihnen Fremden gedient und dabei den Konflikt Mensch gegen Mensch bedient. Die Wolverine Filme inszenierten gemäß der Natur ihres Protagonisten auch stets den Mensch versus Selbst Konflikt. Über die Jahre hinweg hat Logan versucht sich selbst zu finden und mit seiner Vergangenheit Frieden zu schließen. „Logan“ geht in diesem Fall sogar noch einen Schritt weiter, indem sich Wolverine auch physisch sich selber stellen muss, unter anderem in der Form von Klon Laura. Das neue an diesem Film ist, dass erstmals den Konflikt mit der Natur miteinbezieht. Die Charaktere des „Logan“-Universums leben in einer genmanipulierten Welt. Eine Tatsache, die im Laufe des Films noch eine wichtige Rolle spielen wird.

    Der Film ist somit vielleicht nicht der perfekte, aber ein würdevoller Abgesang auf Hugh Jackman und seinen Wolverine. Was als nächstes kommt wird sich zeigen. Fox hat ungleich der Marvel Studios, die mit jedem Film noch die Kritiken positiv überzeugt hatten, in den letzten Jahren mehr Hit und Miss produziert, den katastrophalen Flop „Fantastic Four“ außen vorgelassen. Neben Jackman stehen auch Patrick Stewart und Jennifer Lawrence nicht mehr für weitere Filme zur Verfügung. Mit „Deadpool“ und „Logan“, die beide sehr begeistert aufgenommen wurden, scheint Fox sich nun eine erfolgreiche Nische geschaffen zu haben. Tiefgründige Mutanten-Alleingänge statt Gruppenweltuntergängen. Als Zuschauer kann man nur hoffen, dass „Gambit“ es auch endlich aus der ewigen Preproduction-Hölle schafft.
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    (Susanne Gottlieb)
    26.02.2017
    23:51 Uhr
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