„Io sono l’amore“ (oder „I Am Love“) ist nicht nur der Titel des neuen Films des italienischen Regisseurs Luca Guadagnino, sondern auch eine Zeile der Arie „La mamma morta“ von Umberto Giordano, die im Film „Philadelphia“ eine zentrale Rolle spielt. Ein todkranker Tom Hanks rezitiert und übersetzt dort für seinen Anwalt (Denzel Washington) dieses, sein Lieblingsstück und bringt ihn damit völlig aus der Fassung.
„I Am Love“ ist ein Film, der reich an Anspielungen und Zitaten ist. Auch das Grundmotiv ist nicht neu: Eine leidenschaftliche Frau, gefangen im goldenen Käfig. Die geborene Russin (Tilda Swinton) nutzt die Heirat mit einem italienischen Unternehmersohn, um ihrem Leben Perspektive und Zukunft zu geben. Sie nimmt den Namen Emma an, wird zur Italienerin und Hausherrin. Sie zieht Kinder groß und erfüllt ihre Pflichten als Ehefrau. Doch als ihr Schwiegervater stirbt und das Erbe an ihren Mann Tancredi und überraschenderweise auch an einen ihrer Söhne, Edo, übergeht, beginnt die Fassade zu bröckeln. Tancredi und Edo verfolgen unterschiedliche Ziele bei der Führung der Firma, Emmas Tochter Betta verrät ein Geheimnis und Emma erkennt, dass sie ihrer Hausangestellten Ida (in einer stillen Rolle überzeugend: Maria Paiato) mittlerweile näher steht als ihrem Ehemann. Und schließlich erscheint der Koch Antonio auf der Bildfläche.
Die Symbolik von „I Am Love“ ist manches Mal ziemlich aufdringlich und platt – Tauben sind in einem Turm gefangen wie Emma in ihrem Domizil, das Essen von Scampi wird wie ein Liebesakt inszeniert – im Laufe der Handlung begegnet man mehreren Klischees. Gründe, um eine kritische Distanz anzunehmen. Doch das geschieht erstaunlicherweise nicht. Im Gegenteil: mit fortschreitender Handlung wird der Zuseher mehr und mehr in den Bann der Geschichte gezogen und das liegt vor allem an den komplexen Charakteren und den hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Allen voran der von Tilda Swinton, die ähnlich polylingual wie Christoph Waltz in „Inglorious Basterds“ auftritt: als Emma spricht sie fließend Italienisch und Russisch, ironischerweise aber kein Englisch. Swinton, die selbst jahrelang beim Entstehen dieses Projektes mitgewirkt hat, ist die Rolle auf den Leib geschrieben, sie verkörpert Emmas elegant-anmutige Seite ebenso glaubwürdig wie deren animalische Züge. Neben Swinton fällt besonders Marisa Berenson als Schwiegermutter auf, die ihr Leben lang gelernt hat, hoch erhobenen Hauptes Opfer für ihren Status zu bringen. Auch Flavio Parenti verkörpert die Ratlosigkeit und Unsicherheit des feinfühligen Edo gekonnt. Edo und Emma sprechen miteinander immer russisch, die Sprache ist Ausdruck ihrer Verbundenheit und Intimität, letztlich aber auch die Sprache, mit der sie sich gegenseitig am meisten verletzen können.
„I Am Love“ ist ein hochästhetischer Film, der zuweilen etwas zu dick aufträgt, den Zuseher aber vor allem aufgrund seiner Protagonisten absolut für sich einnehmen kann.