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    No story just queer vibes

    Wunderschön, aber ich hätte mir ein bisschen mehr Geschichte oder zumindest Dialoge gewünscht.
Was ich mitnehme: São Miguel ist traumhaft, Kirchgänger scheinheilig und LGBTQ+-Gegner widerlich.
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    25.06.2023
    23:17 Uhr
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    Queeres Erwachen auf einer verschlafenen Insel

    Exklusiv für Uncut
    Cláudia Varejão hat sich bislang vor allem als Dokumentarfilmregisseurin einen Namen gemacht. Mit „Ama-San“ (2016) und „Amor Fati“ (2020) wurde sie zu internationalen Filmfestivals eingeladen. Nun legt die portugiesische Regisseurin mit „Wolf and Dog“ ihren ersten Spielfilm vor, der aber nach wie vor von dokumentarischen Spuren durchzogen ist.

    „Wolf and Dog“ erzählt die Geschichte von Ana und Luis, zwei Jugendlichen, die auf der Azoreninsel São Miguel aufwachsen. Ihr Leben auf der Insel ist von alltäglichen Routinen geprägt: Schule, Arbeit, Familienleben. Erzkatholische Strukturen und Traditionen bilden den Rahmen für das Aufwachsen in dieser Gemeinschaft. Inmitten dieser Umgebung versucht Ana, zu sich selbst zu finden, während ihr Freund Luis offen mit seiner Queerness umgeht und damit nicht überall auf Akzeptanz stößt. Spätestens als ihre Freundin Cloé aus Kanada zu Besuch nach São Miguel kommt, entdeckt Ana, dass ihr Leben nicht innerhalb der Grenzen verlaufen muss, die ihr die Insel und ihre Gesellschaft vorgeben.

    Varejãos dokumentarischer Hintergrund zeigt sich in „Wolf and Dog“ zum einen in der Besetzungspolitik: Die meisten Darsteller*innen (und alle Hauptdarsteller*innen) sind Laien, die tatsächlich auf São Miguel leben und hier zum ersten Mal vor der Kamera stehen. Dass dieses Konzept so gut funktioniert, ist natürlich einerseits den Darsteller*innen zu verdanken – insbesondere Ana Cabral als eher zurückhaltende Ana und Ruben Pimenta als extrovertierter Luis überzeugen. Vor allem aber liegt es an der Art und Weise, wie Varejão diesen Film inszeniert. „Wolf and Dog“ verzichtet größtenteils auf expressive Schauspielmomente und setzt stattdessen auf einen semi-dokumentarischen Modus, ruhig beobachtend und ohne große emotionale Ausbrüche.

    Und doch gibt es Szenen, in denen dieser Dokumentarismus über Bord geworfen wird, die vielleicht die stärksten Momente des Films sind. Das sind queere Momente des Ausbruchs aus den Normen der Gesellschaft, in denen die regressiven und verständnislosen Strukturen und Personen auf der Insel ausgeblendet werden und stattdessen die jugendlichen Hauptfiguren zu ihrer Identität finden und in all ihren komplexen Gefühlen ernstgenommen und gefeiert werden. Die Musik spielt dabei eine wichtige Rolle, sie hebt diese Szenen aus der Alltäglichkeit hervor und kommentiert sie ausgezeichnet. So sehen wir Ana im Bus sitzen, während die spanische Liebes- und Abschiedsballade „Porque te vas“ die ambivalente Beziehung zu ihrer Heimatinsel deutlich macht. Ein besonders eindrucksvolles Bild entsteht, nachdem Luis seinen Kopf rasieren muss, um religiösen Traditionen zu entsprechen, und sich die queeren Hauptfiguren auf einer bunt glitzernden Bühne um ihn herum formieren. Während sie so in die Kamera blicken, ist Klaus Nomis „The Cold Song“ zu hören, eine der wenigen Singles, die Nomi vor seinem frühen HIV-Tod veröffentlichte. „Wolf and Dog“ ist ein Film gegen die (gesellschaftliche) Kälte und gegen den Hass. Ein Film, der in der Fiktion hoffnungsvoll einen Ausweg für seine queeren Figuren ertastet und der in ihrer Fragilität und Schwäche ein Potential sieht – wie an einer Stelle der Queer-Theoretiker Paul B. Preciado zitiert wird.
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    14.06.2023
    18:57 Uhr