Birdman

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Forumseintrag zu „Birdman“ von r2pi


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r2pi (23.02.2015 23:12) Bewertung
michael keaton hebt ab oder (die erhoffte macht der bilder)
"...deshalb habe ich vor 20 jahren abgelehnt, birdman 4 zu spielen." – "wow, birdman 4...!"

leider hat der japanische reporter den alternden ex-comic-helden-darsteller riggan thomson (michael keaton) falsch verstanden: kein weiterer birdman soll es werden, er will sich in der zweiten hälfte seines lebens doch noch als ernst zu nehmender schauspieler, als künstler beweisen – und das stück seines "mentors" raymond carver auf dem broadway aufführen.

birdman springt sofort mitten in die szene, gleich wird ein untalentierter schauspieler durch einen herabfallenden scheinwerfer ausgeknockt, man weiß nicht genau, hat da der birdman vielleicht gar selber seine hand im spiel, hat er mit seinen telekinetischen gaben ein bissel nachgeholfen – iñárritu lässt uns keine pause zum nachdenken, die rolle muss wieder besetzt werden: wer wäre denn die traumbesetzung, wer verkauft tickets, wer bringt den text ordentlich rüber, wer ist überhaupt frei und nicht bereits für das nächste filmsequel oder den nächsten superheldenfilm verpflichtet... ein glücklicher zufall bringt mike shiner (edward norton) ins spiel, und gleich geht der zoff weiter, egos prallen aufeinander, ginkonsum, bühnensex und eine zugefallene bühnentür werden zum unerwarteten lacherfolg. immer mit im spiel die neurosen und eitelkeiten der schauspieler, die angst vergessen zu werden, unsichtbar zu sein und ungeliebt – kulminierend im krieg mit der times-kritikerin, höchste instanz der meinungsmacher und richter und henker in einem: sie wird ihn und sein stück zerstören, weil sie ihn hasst und alles was er repräsentiert, egoistische verwöhnte kinder, ungebildet und ohne kunstverstand, die einander preise für cartoons und pornografie zuschanzen. "sie sind kein schauspieler, sondern promi!"
doch riggan trägt das volle risiko, beruflich wie finanziell – nicht die kritikerin mit ihren schubladen, beschissenen meinungen und noch beschisseneren vergleichen.

was da an intelligenten dialogen, anspielungen und sonstiger handlung in das oscar-gekrönte drehbuch gepackt wurde, müsste mindestes für zwei filme reichen – der "star" des films ist aber weniger der plot oder das durchwegs hervorragende ensemble, sondern die optik, die birdman von allen anderen produktionen des jahres abhebt: nur 16 sichtbare schnitte, ein paar schwarze stellen im übergang (derselbe trick, der früher eingesetzt wurde, wenn wieder eine filmrolle zu wechseln war), ein bissel digitale retusche und bloß zwei wochen schneidearbeit – dank einer genialen kameraführung von emmanuel lubezki (nach gravity der zweite oscar in folge). moderner sound (drums und zwischendurch mahlers "ich bin der welt abhanden gekommen", tschaikowsky und ravels passacaglia), wohlüberlegter einsatz von farben und die minimalistisch-schlanken titel runden das bild zu einem gesamtkunstwerk ab, eine vielzahl von gelungenen filmplakaten wollen das publikum ins kino locken.

fazit: künstlerisch rundum hervorragend gemeistert, mit witz, satire und all den unfassbar wichtigen problemen, die die abgehobene welt der künstler ausmachen. so schön anzusehen (und vielleicht nachzulesen) birdman auch ist – mich interessiert diese welt nicht wirklich.
 
 

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