Die Herrin von Thornhill

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Forumseintrag zu „Die Herrin von Thornhill“ von 8martin

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8martin (02.06.2018 10:13) Bewertung
Weit weg vom nervenden Volk
Ein außergewöhnlicher Film, der nicht nur der Romanvorlage von Thomas Hardy vollauf gerecht wird, sondern auch auf ein grandioses Ensemble zurückgreifen kann. Besonders die Titelfigur Bathsheba Everdene (Julie Christie) verhindert das Abgleiten in eine Schmonzette, denn sie spielt großartig auf der Klaviatur ihres schauspielerischen Talents. Das reicht von herrisch bestimmt, bis unsicher weinerlich, von zerknirscht bis triumphierend. Vom lieben Weibchen bis zur Grand Dame im Salon. So hat hier Hardy auch noch ein verspätetes Coming-Off-Age geliefert.
Außerdem gibt es eine tragische Figur: Fanny Robin (Newcomerin Prunella Ransome), die zum Tiefgang der Handlung durch beeindruckende Darstellung beiträgt: vom Offizier Troy (Terence Stamp) geschwängert, sitzen gelassen und so dem Tode geweiht.
Im Verlauf ihres Erwachsenenwerdens umkreisen drei Kandidaten Bathsheba: von Anfang an hat eigentlich Gabriel (Alan Bates) die besten Chancen. Er passt zu ihr und versteht etwas von Landwirtschaft. Dann ist da noch Mr Boldwood (Peter Finch), ein reicher, alter Nachbar, der mit Ring und Versprechen fast am Ziel wäre, doch das Rennen macht zu nächst der Hallodri Troy.
Der Kampf mit den Naturgewalten spielt natürlich auch eine Rolle, aber dies ist kein Selbstzweck: eine Feuersbrunst, ein Unwetter, eine Schafkrankheit machen den Plot farbiger. Hier kann sich der spätere Sieger erste Sporen verdienen. Dorffeste mit Gesang und Tanz sind bei Hardy immer dabei. Hier singen die Clancy Brothers ihr beliebtes Lied von ‘Jolly Tinker‘. (Herrlich unanständig!) Genauso wie die Einblicke in die Herrschaftsverhältnisse des 19. Jahrhunderts. Viel echtes Lokalkolorit schmückt den Plot: Hahnenkämpfe, ein Jahrmarkt sowie Hardys Lieblingsmaschine, die das Dreschen des Korns überflüssig macht. Wie sich Troy und Boldwood selbst ausschalten, ist äußerst dramatisch. Wie Gabriel und Bathsheba ihre Liebe erkennen entlockt einem schon einen wohligen Seufzer der Erleichterung.
Großes Kino mit großen Gefühlen und einem Einblick ins pralle Leben auf dem Lande. Und mit einem ins Deutsche nicht übertragbaren Originaltitel.
 
 

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