So viele Jahre liebe ich dich

Bewertung durch Harry.Potter  70% 
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Forumseintrag zu „So viele Jahre liebe ich dich“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (14.02.2008 23:59) Bewertung
Was weiß man wirklich über jemanden?

Es ist sehr ungewohnt, Kristin Scott Thomas in einem französischen Film zu sehen. Schließlich kennen wir sie ja bisher aus englischsprachigen Produktionen, allen voran ihre Rolle in „Der englische Patient“, für die sie 1996 eine Oscar-Nominierung erhielt. Seit damals sind viele Jahre vergangen, was ganz gut zu ihrer Rolle in diesem Film passt. Dort spielt sie nämlich eine Frau, die wegen Mordes an ihrem eigenen Sohn zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und nun aus der Haft entlassen wird. Ohne Job und Perspektive findet sie bei ihrer Schwester Unterkunft. Die Begegnung mit ihrer Schwester ist eine Begegnung mit der gemeinsamen Vergangenheit. Erinnerungen der beiden Frauen werden wach, die gemeinsame Jugend, die sie verbracht haben. Léa, die jüngere, die zwei Adoptivkinder und einen netten Mann gefunden hat und Juliette (K.S.T.), die ältere, die einmal einen Sohn hatte, nun aber ohne Familie dasteht. „Selber schuld!“, ist man versucht, auszurufen, hat sie doch ihren Sohn auf dem Gewissen und es ist mehr als verständlich, dass ihr Mann nichts mehr mit ihr zu tun haben will, hat sie ihn doch auf dem Gewissen. Wer ist Juliette wirklich? Was hat sie zur Mörderin gemacht? Philippe Claudels Festivalbeitrag im Wettbewerb lässt sich bis zum Schluss Zeit, endlich diese Fragen zu beantworten. Und was zuerst wie ein weiterer stiller Fluss, der in den Horizont fließt, aussieht, stellt sich als langsamer, aber aufmerksamer Film über das Schicksal einer Frau heraus, die unter ganz besonderen Umständen etwas tat, für das sie die Konsequenzen tragen muss, aber auch nach der langen Zeit weiß, warum sie es getan hat. Jede weitere Analyse würde zu viele Hinweise auf den Schluss geben, dessen Überraschungseffekt auf keinen Fall vorweg genommen werden soll.

Kristin Scott Thomas spielt die Rolle der lange in sich Zurückgezogenen, von der Zeit im Gefängnis leise Gewordenen sehr überzeugend und läuft bis zum Ende des Filmes zu absoluter Höchstform auf. Gerade durch die überraschenden Detailinformationen ganz am Schluss, die allen Ereignissen ein völlig anderes, wenn auch nicht weniger problematisches, Gesicht verleihen, verlässt man den Kinosaal mit vielen Gedanken im Kopf und zur Abwechslung auch mal nicht mit dem Gefühl einen weiteren duseligen Film gesehen zu haben. Dafür muss man aber bis zum Schluss durchhalten, denn bis dorthin hat der Film keine besonderen Höhepunkte zu bieten und zieht sich.
 
 

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