A Different Man

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Forumseintrag zu „A Different Man“ von cinemarkus

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cinemarkus (25.02.2024 12:27) Bewertung
The Tell-Tale Face
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2024
Aaron Schimberg („Chained For Life“) ist immer noch derselbe und verbindet in seinem neusten Film „A Different Man“ Fragen nach Schönheit mit der hässlichen Seite des Schauspielgeschäfts, in einem ebenso schockierenden wie erheiternden Kommentar auf die „Ethik der Repräsentation“. Sebastian Stan spielt dabei, erst noch kaum zu erkennen, den mit einer Gesichtdeformation lebenden Edward. Bis der sich schließlich einer Versuchsreihe unterzieht um sein Leben zu verbessern. Mit Body Horror Flair transformiert er sich langsam und Stan kommt zum Vorschein. Das bildet so die Antithese zu Filmen wie „Die Fliege“, wo noch Sexsymbole grotesken Entstellungen unterzogen wurden; quasi Reverse Body Horror. Hier vermag sich ein nun vermeintlich schönerer Mensch nicht wiederzuerkennen. (Der sicher nicht zufällig generisch betitelte) Guy begräbt symbolisch seine frühere Persona.

Doch sein altes Gesicht verfolgt ihn weiter bis er irgendwann den Verstand zu verlieren droht. Parallelen zu gewissen Edgar Allan Poe Geschichten waren für mich nicht nur aufgrund einer wiederkehrenden schwarzen Katze ersichtlich.

Unter der Oberfläche

Die Gegenüberstellung von innerer und äußerer Schönheit ist kein neues Thema in der Kunst, und findet auch hier Verwendung. Edward, ebenso wie der später auftretende Schauspieler Oswald (Adam Pearson), ist freundlich, und emphatisch, in Guy sucht man vergeblich nach diesen Eigenschaften. Die hübsche Nachbarin von nebenan, Ingrid (eine komplett akzentfreie Renate Reinsve), sieht das von Anfang an. Wahre Schönheit kommt eben erneut von innen. Selbst der Ungezieferball einer Wohnung kommt unter neuer Aufmachung doch irgendwann zum Vorschein.

Zeit für Veränderung

Die Pressekonferenz zum Film wurde von einem Vorfall überschattet (der mutmaßlich auf Sprachbarrieren zurückzuführen war und etwas medial aufgebauscht wurde), bei dem Sebastian Stan einen Journalisten wegen dessen Verwendung des Wortes „Biest“ zurechtwies. Er stellte aber im selben Atemzug klar, dass uns einfach selbst immer noch das nötige Vokabular fehlt. Dafür soll „A Different Man“ ein Bewusstsein schaffen um langfristig eine faire Behandlung aller zu erzielen. Adam Pearson trägt jedenfalls das seinige dazu bei. Vor und hinter der Kamera gibt er sich extrem eloquent, intelligent und freundlich, da fragt man sich, warum der nicht schon längst ein Superstar ist. Ein Werbespot, für den Edward engagiert und der im Film gezeigt wird, verhöhnt darüberhinaus einerseits die Oberflächlichkeit vieler Unternehmen, im Endeffekt erhalten damit Menschen mit außergewöhnlichen Gesichtszügen aber trotzdem eine Bühne. Nur Aufmerksamkeit kann auf Dauer Akzeptanz schaffen.

Warum denn so ernst?

Schimberg, der sich aufgrund seiner Gaumenspalte selbst der „Disfigured Community“ zugehörig fühlt, behandelt satirisch die Frage, wer eigentlich was spielen darf. Das wird in jüngster Vergangenheit ja immer öfter debattiert, hier aber auf humorvolle Weise auf die Spitze getrieben. Schon der Film selbst geht ja selbstironisch damit um, spielt ja schließlich nicht Pearson sondern Stan die Hauptrolle, und das unter einer außerst überzeugenden Gesichtsprothese. Als Ingrid in Gedenken an Edward ein Stück über ihn schreibt, möchte Guy mit einer Maske die Rolle spielen, schließlich geht es ja um ihn. Der gutmütige Oswald nimmt das absurderweise völlig gelassen hin, obwohl die Rolle, von denen es für Leute wie ihn ohnehin nicht so viel gibt, absolut perfekt wäre. Als dann noch ein bekannter Realschauspieler als sich selbst (dessen aberwitziger Cameo hier nicht verraten sei) die Bühne betritt, um in der Verfilmung des Stücks Edward zu mimen, wird es zum Brüllen komisch.

Egal ob man nun viel lacht, sich fürchtet oder über ernste Themen nachzudenken beginnt - nach dem Film ist man in jedem Fall ein kleines Stück anders.
 
 

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