Die letzte Fahrt der Demeter

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Forumseintrag zu „Die letzte Fahrt der Demeter“ von cinemarkus

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cinemarkus (19.08.2023 22:30) Bewertung
Auf See hört dich niemand schreien - und im Kino auch nicht
Exklusiv für Uncut
Mit „Die letzte Fahrt der Demeter“ kommt nach „Renfield“ der nächste Film des Jahres mit Dracula-Thematik. Warum es dem aber an Biss fehlt, will ich euch hier näher bringen.

Die stolze Demeter hat schon viele Fahrten hinter sich, kommandiert von ihrem Kapitän Elliot (Liam Cunningham). Der denkt schon ans Aufhören, einen letzten Job will er aber noch erledigen. In Rumänien nehmen er und seine Crew eine große Ladung auf und machen sich auf Richtung London. Bei Nacht zeigt sich schließlich, was sie da geladen haben und ein Kampf ums Überleben beginnt…

Schon als ich Bram Stokers „Dracula“ gelesen habe, wusste ich, dass in jener Passage grundsätzlich eine interessante Geschichte steckt. Und so ging es sicher nicht nur mir, weswegen es äußerst verwundert, dass es der Film erst jetzt in die Kinos geschafft hat. Zwei Jahrzehnte soll es gedauert haben, ihn auf die Leinwand zu bringen, aufgrund von diversen Produktionsproblemen und Drehbuchänderungen. Und ich kann nicht behaupten, dass sich die gelohnt haben.

Was ihm schlussendlich zum Verhängnis wird, ist eben wieder, dass er auf etwas Altbekanntem basiert, sowohl bezogen auf die Charakterdarstellung (dazu später mehr), als auch die Dramaturgie. Schon zu Beginn wird klargestellt: dieses Schiff kommt ohne Überlebende an. Auch jeder der den Roman nicht gelesen hat, weiß was da im Dunklen lungert, weil es uns der Film (und das intensive Marketing) bereits verraten hat. Das klassische Prequel-Problem zeigt sich also erneut darin, dass immer klar ist, worauf alles hinauslaufen wird. Nun sage ich nicht, dass Vorgeschichten grundsätzlich nicht funktionieren, nur muss man sie dann besonders interessant gestalten. Die Tragik der Figuren, die unwissentlich in ihren Tod gehen, könnte hervorgehoben werden, doch dafür ist die Hälfte davon zu unsympathisch und die andere zu uninteressant. Mit dem Kapitän und seinem ersten Maat (David Dastelmachian), an den er die Befehlsgewalt übergeben will, wird dies ansatzweise versucht, doch für mich zu wenig. Clemens (Corey Hawkins), der sich auch für die Überfahrt meldet, hat derweilen mit Rassismus zu kämpfen, doch irgendwann führt auch dieser Handlungsstrang ins Leere.

Was hingegen vortrefflich funktioniert, ist das immer stärker spürbarere Misstrauen zwischen den Seglern, die sich fragen, was da erst die Tiere und später nach und nach die Crew dezimiert. Aber wie gesagt, wenn die derart uninteressant ist, will einfach keine Spannung aufkommen.

Mein persönlich größter Kritikpunkt ist aber bei weitem die Darstellung des wohl berühmtesten Vampirs der Film- UND Literaturgeschichte. Dracula hat sich stets durch seine Wortgewandtheit, seinen Charme und seine Intelligenz ausgezeichnet, und war dennoch 100% furchterregend. Hier verkommt er wahrlich zu einem seelenlosen und fresshungrigen Monster, der Wunsch war vermutlich „Alien“ im 19. Jhdt nachzuerzählen. Sprechen darf er insgesamt nur ein einziges Mal, und das dient (ebenso wie die finale Sequenz) gefühlt nur dazu, die wahrscheinlich schon im Vorhinein in Betracht gezogene Fortsetzung anzukündigen.

Die Atmosphäre passt hingegen. Wie das Schiff in Szene gesetzt wird, trägt maßgeblich zur Wirkung des Films bei. Sowohl Klaus- als auch Thalassophobie (die Angst vor dem offenen Meer) wird kräftig bedient, die Angst vor dem (für die Figuren) Unbekanntem wird dazu gekonnt aufgebaut. Ebenso sorgt die solide Musik immer für die passende Stimmung. Und eine gehörige Portion Gore mit überzeugenden Effekten, vermag zumindest die eventuelle Blutlust des Publikums ein wenig zu stillen.

Schauspielerisch gibt es ebenfalls nichts zu bekritteln, im Gegenteil, Liam Cunningham und besonders David Dastelmachian geben hervorragende Leistungen ab (was jedoch nicht arg verwundert, da die Dynamik ihrer Charaktere schlicht am besten funktioniert).

Alles in allem leider wieder jede Menge verschenktes Potential. Nach außen hin lebendig doch im Inneren schon völlig blutleer.
 
 

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