Das schweigende Klassenzimmer

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Forumseintrag zu „Das schweigende Klassenzimmer“ von 8martin

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8martin (06.03.2018 17:49) Bewertung
Die Schweigeminute
Ein Film, der jeden packt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Einigen Ex-Ossies kann er Schluckbeschwerden verursachen, die immer wieder mal mit der Ostalgie liebäugeln und behaupten ‘Es war ja nicht alles schlecht drüben‘. Andererseits verdeutlicht der Film mit welchen teils subtilen, teils menschenverachtenden Mitteln dieser Staat gearbeitet hat. Es wurde in der Vergangenheit der Bürger gegraben, um mit Erpressung und Denunziation Verrat zu erreichen auch und gerade im engsten Familienkreis. Misstrauen als Waffe gegen den Klassenfeind einzusetzen und das Ganze in einem gebrüllten Kasernenton verpackt, der allein schon akustisch die Bürger einschüchterte.
Unter der Regie von einem Wessie! Schon erstaunlich. Sensibel und bewegend wurden die Möglichkeiten einer Diktatur dargestellt und die oftmals ausweglose Situation der Betroffenen. Als gnadenlose Staatsvertreter brillieren Jördis Triebel als Schulrätin und Burghart Klaußner als Minister. Bei ihrem Auftritt gefriert der Schweiß. Edgar, der sympathische Außenseiter – auch noch schwul – (Michael Gwisdek) muss für seine Offenheit bezahlen. Zwielichtig die Rolle von Direktor Schwarz (Florian Lukas), der als Emporkömmling aus der Arbeiterklasse die Schüler z.T. verstehen kann.
Die Schüler, (Leonard Scheicher, Tomo Gramenz und auch Lena Klenke u.v.a.) denen man bei Nicht-Kooperieren das Abitur versagte, sind überzeugend gecastet. Sie schwanken zwischen dem Mut der Verzweiflung – besonders prekär, wenn auch noch die Liebe mit im Spiel ist (Lena und Paul (Isaiah Michalski) – und dem Staunen, ob des Ausmaßes ihrer an sich harmlosen Aktion (Schweigeminute aus Solidarität mit den Ungarn! (1956)).
Auf Seite der Eltern rühren die Vertreter besonders, denn sie müssen sich ja zunächst noch vom Glauben an ihren Staat verabschieden. Man versteht, warum die sogenannte ‘Republikflucht‘ durchaus eine Option war.
Eine spannende und bewegende Spielfilmhandlung. Diese Vergangenheitsbewältigung ist ein Muss, weil sie mit ihrem Realismus genau den Nerv der Zeit trifft.
 
 

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