Stille Reserven

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Forumseintrag zu „Stille Reserven“ von Stadtneurotikerin


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Stadtneurotikerin (29.10.2016 21:49) Bewertung
Film Noir aus Österreich
Im Wien der nahen Zukunft spielt der Staat keine Rolle mehr, alles ist in den Händen von Konzernen. Einer dieser Konzerne ist auf Todesversicherungen spezialisiert. Denn wer arm und verschuldet stirbt, wird als stille Reserve künstlich am Leben erhalten. Ein würdevoller Tod ist den Reichen vorbehalten oder eben diesen, die eine solche Todesversicherung abschließen. Vincent Baumann ist einer dieser düsteren Versicherungsvertreter und gut in seinem Job, bis er den Fall Sokulov bekommt, an dem er scheitert. Der alte Sokulov weigert sich nämlich, eine Todesversicherung abzuschließen. Baumann verliert seinen Posten im Konzern und bekommt den Auftrag, die Tochter des Alten, eine Aktivistin, auszuspionieren. Gelingt ihm dies, bekommt er die Chance, wieder im Konzern aufzusteigen.

Regisseur Valentin Hitz liefert einen österreichischen Sci-Fi Film, steckt diesen aber in ein wunderschön entsättigtes Film Noir-Gewand. Er wollte einen Farbfilm machen, bei dem die Zuschauer das Gefühl haben, einen Schwarz-Weiß-Film gesehen zu haben...das ist ihm gelungen und zieht uns in den Bann einer schön anzusehenden Ästhetik. Hitz gestaltet seine Zukunftsdystopie liebevoll bis ins kleinste Deteil: das in Segmente gegliederte Wien, die kafkaesque Bürokratie im Konzern, die gefühlskalten Charaktere und ihre sachliche Sprache. Und ein paar Gänsehaut-Szenen in einer belebten Nachtbar (die stark an David Lynchs Blue Velvet erinnert), die all dem entgegen stehen. Sowohl Vincent als auch Lisa (obwohl als Aktivistin Teil einer Gegenbewegung) sind nicht von Emotionen getrieben. Umso interessanter macht es das Zwischenmenschliche zwischen ihnen. Sie nutzen sich aus, vertrauen einander nicht und doch sind die beiden die einzige Hoffnung auf ein wenig Menschlichkeit in dieser Dystopie. Es baut Spannung auf, die zwei den ganzen Film über um einander kreisen zu sehen und führt zu einem gelungenen und schön inszenierten Ende.

Wirklich toller Film, der einen bildschön inszenierten Blick in unsere mögliche Zukunft wirft und den Zuschauer viel mehr fühlen lässt, als seine Protagonisten.
 
 

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