The Flash

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Forumseintrag zu „The Flash“ von Andretoteles


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Andretoteles (14.06.2023 23:14) Bewertung
Zwei Seiten einer Medaille
Exklusiv für Uncut
Vergangenheit, Nostalgie, Erinnerung. Nachdem im Februar 2023 beim Super Bowl der erste Trailer zum neuen DC-Spektakel „The Flash“ über die Bildschirme flimmerte, tobten die globalen Social-Media-Kanäle. Michael Keaton als Batman! Sofort hören wir die Musik von Danny Elfman, denken an Danny DeVitos Pinguin und an das expressionistische Gotham City Tim Burtons. Welch ein Schachzug von DC, das Multiversums-Zeitreise-Narrativ in die eigene Welt und Michael Keatons Batman zurückzuholen.

Das Multiversum ist die Geschichte der Stunde. Kaum ein Blockbuster kommt aktuell daran vorbei und alle nutzen die Chance, ein hyperreferenzielles Kino zu schaffen. Was ist damit gemeint? Kunst lebt immer von Referenzen auf bestehende, bekannte Personen, Objekte und Stories. Heutzutage in der Postmoderne wird diese Bezüglichkeit aber auf die Spitze getrieben. Man könnte sich im Kreis drehen: es fehlt an Originalität, das Helden-Multiversum schafft nichts Neues, keine Innovation, nur aufgewärmte Repetition vertrauter Gesichter – was andererseits als „Fanservice“ auch positiv besetzt ist. Jetzt begibt sich das DC-Extended-Universe mit dem bereits 13. Film der Reihe (zum Vergleich: das MCU steht bei 32) auch auf diesen Weg, auf dieses Minenfeld zwischen Fanservice und cineastischem Anspruch. Zuletzt konnten die Minen nicht umgangen werden. Misslungen waren sowohl „Black Adam“ als auch „Shazam 2“. Gelingt der Spagat mit der Solo-Verfilmung des schnellsten Manns der Welt – „The Flash“?

Eine einfache Antwort gibt es nicht, der Film ist janusköpfig und gegensätzlich. Die erste Hälfte kann mitunter begeistern, fokussiert folgen wir Ezra Miller als Barry Allen/Flash. Als Teil der Justice League (kurze Auftritte von Gal Gadot als Wonder Woman, Jeremy Irons als Alfred und Ben Affleck als Batman dürfen nicht fehlen) rettet er in einer stumpfsinnigen Szene ein Dutzend Babys, bevor er merkt, mit seiner Geschwindigkeit durch die Zeit reisen zu können.

Einfühlsam inszeniert ist der emotionale Kern des Films, der den Ausgangspunkt bildet. Barry verliert seine Mutter durch einen tragischen Mord, infolgedessen sein Vater trotz Unschuld ins Gefängnis gesteckt wird. In Rückblenden erleben wir diese dramatischen Bilder aus Sicht des kleinen Barry Allen. Geistesgegenwärtig zur Rettung seiner Mum versucht er das Schicksal zu verändern, und voila, plötzlich sind wir in einer klassischen Zeitreise-Story mit einer alternativen Timeline, in der Barry alles in Ordnung bringen muss. Dann hat der Film seine besten Momente, als Barry Allen auf einen zweiten Barry Allen/einen zweiten Flash trifft. Ezra Miller in Höchstform, das humoristische Feuerwerk brennt und die Gags funktionieren. Vielleicht für einige Personen zu pubertär, insgesamt kann das zackige Drehbuch in puncto Witz überzeugen. Interessant ist außerdem die Präsentation der Flash-Werdung, die mitten im Film als Nebenhandlung auftaucht – fast schon innovativ. Es folgt der Höhepunkt des Films, denn in diesem Universum flattert ein anderer Batman durch die Nächte, Auftritt Michael Keaton. Als verwitterter, bärtiger Griesgram, der nur einen Hausschuh trägt, springt er fulminant in die Handlung. Ansätze von Danny Elfman, das urige Batmobil, das Logo vergangener Tage – Nostalgie und Gänsehaut prägen diese wahrlich guten, sehenswerten Momente.

Doch dann der große Bruch. Alles, was die sehr gute erste Hälfte ausmacht, vergisst der argentinische Regisseur Andrés Muschietti (bekannt durch die Es-Neuverfilmungen) in der zweiten Filmhälfte. Statt einer spannenden Kriminalgeschichte (wer hat Barrys Mum getötet?), statt eines Kampfes gegen die Zeit, statt Weiterentwicklung der herzzerreißenden Story um die zerbrochene Familie fällt die Handlung in gängige, überaus fade Standard-Elemente zurück. Merklich ändert sich der Rhythmus. Statt ausgereifter Mischung aus Humor, Action und Charakteren jetzt Hektik und Einfallslosigkeit. Auftritt Supergirl (Sasha Calle) und General Zod (Michael Shannon). Während die Supergirl-Figur zumindest interessant eingeführt, später aber völlig belanglos fallengelassen wird, hat General Zod nur die Funktion des klassischen Antagonisten. Nicht nur inhaltlich funktioniert dieser uninspirierte Strang nicht. Die übliche Materialschlacht entzieht sich jeder Plausibilität und erfährt keinerlei dramaturgische Hinführung. So wie der Film zweigeteilt ist, erscheinen auch die CGI-Effekte mal gut, mal schlecht, zwischen Himmel und Hölle. Wenn Barry am Ende gegen sein zweites Ich aus der Vergangenheits-Zukunft in einer Sanduhr-Arena kämpft, sind sämtliche gute Aspekte verschwunden. Schlecht animierte DC-Camoes als Fanservice zu verkaufen, misslingt in jeder Hinsicht.

Fazit: „The Flash“ tritt auf viele Minen und schafft den Spagat nur zum Teil. Es gibt ein paar kreative Neuerungen. Die Origin-Story subtil verfilmt, Potential des Hauptdarstellers genutzt, mit Witz und Humor versehen, den emotionalen Kern greifbar dargestellt, Michael Keaton stark in Szene gesetzt, Action solide inszeniert. Doch, als ob dem Studio sogleich eingefallen wäre, ja keinen innovativen, anständigen Helden-Streifen zu drehen, folgt die harte Bremsung. Nicht auserzählte Storylines, fallengelassene Charaktere, platter Fanservice, ein Bösewicht mit keinerlei Relevanz, schwache visuelle Effekte. Der Film ist zwar einer der besseren der DC-Reihe, aber auf schwachem Niveau und weshalb der guten Medaillenseite eine schlechte zweite hinzugefügt wurde, bleibt bedauerlich. Da hilft auch ein sehr amüsanter Cameo-Auftritt zum Abschluss nicht.

Währenddessen geht die Hyperreferenzialität munter weiter, denn es soll einen Doppel-Flash-Film geben, in dem sich Ezra Miller (Kinofilm-Flash) und Grant Gustin (TV-Serien-Flash) duellieren. Interessant und notwendig wird unabhängig davon der Neustart bei DC mit James Gunn – der Guardians-Regisseur soll dem strauchelnden Universe neues Leben einhauchen. Denn das Universe von Zach Snyder ist hiermit endgültig gescheitert.
 
 

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