Das Tagebuch der Anne Frank

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Forumseintrag zu „Das Tagebuch der Anne Frank“ von Harry.Potter

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Harry.Potter (21.03.2016 20:27) Bewertung
Ikonografie einer späten Heldin
"Wer wird sich wohl für die gedanklichen Ergüsse einer 13jährigen interessieren?" wie sehr sich Anne Frank mit dieser Einschätzung irren sollte, erzählen uns die Geschichtsbücher. Das ist das Positive an ihrem Tagebuch. Wie sehr sie sich jedoch täuschen sollte, ihre Träume, Wünsche, Phantasien und Sehnsüchte jemals verwirklichen zu können und niemals der selbstbewussten Frau, zu der sie wohl heran gereift wäre, beim Erobern der Welt zusehen zu können - das ist der traurige Aspekt, der beim Gedanken an ihr Tagebuch mitschwingt. Wer jemals in dem Haus in Amsterdam war, in dem sie sich mit ihrer Familie und weiteren verfolgten Juden zum Ende des 2. Weltkrieges für mehr als 2 Jahre versteckt hielt, bekommt eine Ahnung von der Beklemmung ihres Daseins, das der Entfaltung ihrer pubertären Wutausbrüche keinen Raum ließ. Der Film vermag das (leider) nicht zu leisten, was wohl an dem Cinemascope-Format liegen könnte, mit dem er gedreht wurde und dessen Weitwinkel die Räume naturgemäß größer darstellt als sie sind. Es liegt aber sicherlich auch an der heldenhaften Ikonografie, die er von Anne Frank zeichnet. Getragen von der emotional beklemmend-authentischen Darstellung durch Lea Van Acken entfaltet er die Nacherzählung zentraler Elemente ihres Tagebuchs mit einer immer wieder präsenten Portion Naivität und stellenweise altbackener Inszenierung. Aller räumlichen Beengtheit eingedenk wirken die Figuren rund um Anne zwischendurch sehr statisch und schemenhaft - Assoziationen an Theaterszenen werden wach und weisen sehr rasch darauf hin, dass es in diesem Film nur um eine Person geht und alle übrigen nur Statisten sind. Selbst Größen des deutschen Kinos wie Martina Gedeck oder Ulrich Noethen können dem Film nicht das gewisse Etwas verleihen, das ihn als Kino- statt als Fernsehfilm ausweist. Wäre da nicht Lea Van Acken in der Hauptrolle. Noch mehr als in ihrem Debüt "Kreuzweg" besticht sie mit ihrem vielseitigen und vielschichtigen Spiel und nimmt ihr Publikum alleine auf die Achterbahnen ihrer eigenen Gefühle und des Leides ihrer ganzen Familie mit.
 
 

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