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Heidi@Home: Die Diva

Heidi@Home: Die Diva

Geschmacklos und peinlich oder frech und unkonventionell?
Ein Blick auf die Netflix-Serie „Die Diva“ von Katherine Ryan.
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von (Heidi@Home)
„Die Diva“ (in Original: „The Duchess“) ist eine Serie von und mit der kanadischen Stand-Up-Comedienne Katherine Ryan. Sie ist zumindest semiautobiografisch.

Die Protagonistin, die auch Katherine heißt, ist 33, lebt als selbstständige Keramikerin in London und ist alleinerziehende Mutter der neunjährigen Olive. Ihr Ex Shep war bei einer Boyband, die Liason selbst nur von kurzer Dauer. Mittlerweile ist sie in einer mehr oder weniger losen Beziehung mit dem seriösen, wenn auch etwas farblosen Zahnarzt Evan. Die Prämisse der Serie ist: Olive möchte kein Einzelkind mehr sein und wünscht sich ein Geschwisterchen. Katherine ist nicht abneigt, will aber auf keinen Fall eine klassische Vater-Mutter-Kind Familie, sondern unabhängig bleiben. Also macht sie sich auf sie Suche nach einem Samenspender…

Diese Ausgangssituation ist sehr schräg, die erste Szene ist schräg, die ganzen sechs Folgen der ersten Staffel sind schräg. Wenn Shep auftritt, dann tut er es jedes Mal wie Kramer damals in „Seinfeld“, er kann nicht einfach einen Raum betreten, er muss in jede Szene stolpern, stürzen, krachen. Katherines Outfits sind so komplett over the top - Krönchen im Haar, mega High Heels - und praktisch immer unpassend zur Gelegenheit zu denen sie sie trägt, dass es eine wahre Freude ist. Diese kleinen Details gehören zu den Highlights der im wahrsten Sinn des Wortes wilden Serie, die auch auf popkulturelle Anspielungen setzt. Etwa als Katherine ihrer besten Freundin anvertraut, dass es nicht vorteilhaft sei, ein Einzelkind zu haben, und diese antwortet: „Das haben sich Beyonces Eltern auch gedacht und dann kam Solange!“ Darauf wieder Katherine: „Solange ist die wahre Visionärin der Familie und das weißt du.“

Die Diva
Fotos: Netflix


Aber gerade der Vergleich mit „Gilmore Girls“, den viele Kritiker bei „Die Diva“ ziehen, erweist sich als nicht gerade vorteilhaft für die Netflix-Produktion. Zum einen war Rory am Beginn der Serie 15 Jahre alt, also sechs Jahre älter als Olive und dementsprechend sind die Mutter/Tochter-Dialoge auf einem komplett anderen Level abgelaufen. Zum anderen war Lorelai eine ganz andere Mutter, trotz ihrer durchaus unkonventionellen Lebensweise. Sie war warmherzig und menschlich, ihre Handlungen nachvollziehbar. Als Zuseher*in von „Die Diva“ kommt man Katherine kaum nahe, sie hält nicht nur ihren Freund Evan auf Abstand, sondern auch das Streamingpublikum. Die innige Beziehung zu ihrer Tochter nimmt man ihr zwar ab, aber was macht Katherine darüber hinaus aus? Was begeistert sie, welche Leidenschaften hat sie, was bedeuten ihr Freund*innen, ihr Job? Einmal sieht man sie beim Sex mit Evan und man gewinnt den Eindruck, selbst das stellt eher eine Pflichtübung für sie da, und erzählt mehr über die Machtverteilung in der Partnerschaft als über sonst etwas.

Ja, eine Comedy Serie muss nicht zwangsläufig großen psychologischen Tiefgang haben, aber wenn speziell die Charakterzeichnung der Hauptperson so oberflächlich bleibt, kann man nicht die größte Empathie beim Publikum erwarten. Auch die feministische Grundhaltung von Katherine wäre ein Handlungselement gewesen, dass sich auf elaboriertere Weise zeigen könnte als durch bloße Verweigerungshaltung und egozentrische Trotzanfälle. Denn eigentlich würde Katherine als erfolgreiche Unternehmerin und toughe Single Mom in einer Patchwork-Situation durchaus auch zum Role-Modell taugen.



Ob „Die Diva“ fortgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Eine Offenbarung ist Season 1 zwar nicht, aber durchaus kurzweilig und wenn man britischen Humor an der Grenze zur Geschmacklosigkeit etwas abgewinnen kann, so wird man vermutlich auch Gefallen an „Die Diva“ finden.