Heidi@Home
Heidi@Home: Durch die Nacht mit ...

Heidi@Home: Durch die Nacht mit ...

Begegnungen von Künstlern und Selbstdarstellern, Intellektuellen und Schöngeistern
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von (Heidi@Home)
Die ARTE-Dokumentarfilmreihe „Durch die Nacht mit…“ wurde gerade 10 Jahre alt, was der Sender zum Anlass nahm, zurückzublicken. Und was ich zum Anlass nehme, diese Reihe hier etwas näher vorzustellen.

Das Konzept der Sendung ist schnell erklärt: zwei Künstler – mitunter in Alter, Lebenseinstellung, beruflichem Selbstverständnis und Charakter sehr unterschiedlich – die sich oft kaum oder gar nicht kennen oder sich schon sehr lange nicht gesehen haben, treffen in einer Großstadt (wie Berlin, Los Angeles, London oder Paris) zusammen, um einen Abend bzw. die Nacht miteinander zu verbringen. Fixpunkte dabei sind das Fahren durch die Nacht (oft in einer Limousine), ein Abendessen, das gemeinsame Trinken und Gespräche. Der weitere Abend gestaltet sich individuell: manchmal gehen die Paare miteinander einkaufen, mal singen sie Karaoke, ab und zu machen sie die Tanzfläche unsicher, sehr oft gehen sie in Kunstausstellungen. Manchmal boxen sie auch gegeneinander.

Die auf den ersten Blick bizarrste Gästepaarung scheint Liza Minelli und Fritz Wepper zu sein. Was auf den zweiten Blick aber gar nicht so abwegig ist. Schließlich haben die beiden den weltberühmten Musikfilm „Cabaret“ zusammen gedreht und sind seitdem befreundet, sehen sich aber selten. Die beiden treffen sich in New York wieder und es ist schön, ihnen dabei zuzusehen, wie sie in Erinnerungen schwelgen.



Bizarr auf seine Weise ist auch die Begegnung von Michel Friedmann und Christoph Schlingensief, bei der der Selbstdarsteller Friedmann dem Enfant terrible der Kunstszene erklärt, wie er seine Pasta mit Trüffel richtig verzehren soll. Moderatorin Heike Makatsch und Skandal-Sängerin Peaches wiederum betrinken sich und haben eine enthemmte Nacht zusammen. Die ehemalige Striptease-Tänzerin und Drehbuch-Oscar Preisträgerin („Juno) Diablo Cody hingegen erscheint in ihrem Treffen mit Stuntfrau Zoe Bell liebenswert zurückhaltend und fast schüchtern. Auf ihrem Weg über den Mullholland Drive klingeln sie einfach mal bei Quentin Tarantino, der leider nicht zuhause ist.



Zwischen Daniel Kehlmann, der quasi als Privatdozent auftritt, und dem Kabarettisten Josef Hader stimmt die Chemie in Wien irgendwie gar nicht. Kehlmanns Ausführungen wirken vorbereitet, er geht kaum auf sein Gegenüber ein. Einer der Kardinalfehler, die man in diesem Format machen kann.



Beim Aufeinandertreffen von Bastian Pastweka und Frank Plasberg, fragt ein sichtlich nervöser Pastewka seinen ehemaligen Intendanten, warum dieser seine frühere Sendung abgesetzt hat. Weil sie schlecht war, antwortet Plasberg. Wer anschließend Autogramme geben darf, das ist allerdings Pastewka. Bryan Ferry ist es peinlich, dass Yello-Mastermind Dieter Meier Tischmusik zum Essen arrangiert hat. Moritz Bleibtreu erklärt Oliver Pocher, dass seine Witze mitunter recht hohl sind. Manchmal prickelt es aber auch etwas zwischen den Gästen. Schauspieler Lars Eidinger gibt zu, dass er mit Künstermuse Oda Jaune in der Limo am liebsten geschmust hätte, wäre er nicht verheiratet. Und Arzt-Bela B. scharwenzelt etwas unterwürfig um Julie Delpy herum, die er gerne beeindrucken möchte, das aber nicht wirklich schafft.

Der Reiz des Formats liegt darin, dass die Künstler nicht im Zuge ihrer Profession vor die Kamera treten, aber natürlich auch nicht wirklich als Privatpersonen, die frei und ungezwungen agieren können, schließlich ist die Kamera immer dabei. Oft stehen sich also Kunstfiguren gegenüber, die versuchen, ein bestimmtes, vorteilhaftes Bild von sich zu vermitteln, manche Protagonisten wirken dagegen erstaunlich authentisch. Die Dunkelheit hilft immerhin, dass die meisten Personen irgendwann auf gewisse Art und Weise aus sich herauskommen.
Auf die nächsten zehn Jahre!