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  • Bewertung

    Liebe zwischen den Kulturen

    Exklusiv für Uncut
    Der Film beginnt mit einer Szene, wie sie nicht besser vorzustellen ist: Fa (Proschat Madani), eine der beiden Hauptdarstellerinnen taucht aus der Bettdecke ihrer Liebhaberin nach verrichtetem Cunnilingus auf. Bis zum Jahr 2024 musste also die Zeit verstreichen, bis solch ein Bild in einem österreichischen Film vorkommt. Welche Freude meinerseits darüber, das endlich zu sehen in dieser durchaus raffinierten und berührenden Geschichte: die zweite Hauptfigur ist die Ärztin Marie Theres, verkörpert von Caroline Peters, die an ihrem 20. Hochzeitstag in einer Pärchen-FreundInnen-Runde mit ihrem Ehe-mann Alexander zu sehen ist, der unvermutet verkündet, dass er eine Pause braucht von der Ehe, aus der die Luft scheinbar heraußen ist. Die Midlife-Crisis lässt grüßen: nochmal die Frage stellen nach der Richtung, in die die verbleibende Lebenszeit gehen soll und nach Selbstverwirklichung, die in Alexanders Fall mit einem durchaus nachvollziehbaren Ausbruch aus der Leistungsgesellschaft und in Richtung Freiheit und Natur ausgeht. Wie ich finde eine aktuelle Frage die hier auftaucht, ob die monogame, heterosexuelle Kleinfamilie mit Kind und stilvoll eingerichtetem Haus das Glück für die Ewigkeit bedeuten kann.

    Marie Theres ist klarerweise nicht amused über dieses Ende nach langer Ehezeit, betrinkt sich erst mal und stürzt in einer Lesben-Bar ab, in der sie zu dem Hit „What a feeling“ durchaus interessante und lustige Dance Moves zum Besten gibt. Marie Theres und die Draufgängerin Fa kommen einander näher, aber Marie Theres hat am nächsten Tag ein alkoholbedingtes Blackout zu dieser Nacht und erinnert sich nicht mehr ob zwischen ihr und Fa irgendetwas passiert ist. Die Spannung zwischen den beiden ist jedenfalls gut aufgebaut und natürlich treffen sie sich wieder!
    Welch ein Wermutstropfen am Rande, dass es im realen Wien zur Zeit keine einzige Lesben-Bar gibt! Aber Film ist Märchen und da sieht diese Bar mit cooler Kellnerin geräumig und schick aus. Fa singt an einem Abend in dieser Bar ein Konzert und Marie Theres hat es erneut dorthin verschlagen. Wer auf der Bühne steht, bricht Herzen und die Dinge nehmen ihren Lauf.
    Eine zu begrüßende Darstellung im Film ist die persische Familie von Fa, deren Oberhaupt, die Mutter, in jungen Jahren mit den Kindern aus dem Iran nach Wien geflohen ist. Die Position von Frauen und Queers abseits unserer reichen, privilegierten westlichen Welt rückt somit in den Fokus: Unterdrückung als Frau und Steinigungen von Homosexuellen stehen im Iran auf der Tagesordnung merkt Marie Theres‘ Tochter an späterer Stelle im Film dazu an.

    Nach einem Schwächeanfall und Sturz von Fas Mutter kommt sie in der Abteilung von Marie Theres‘ Spital. Brilliant auch die Darstellung des patriarchalen Oberarztes, Marie Theres‘ Chef, ein Typus, den das Publikum nur allzu gut kennt. Die drei erwachsenen „Kinder“ sind besorgt um ihre Mutter und im Spital kreuzen sich die Wege von Fa und Marie Theres oftmals. Fa, die mutige Herzensbrecherin wagt es nicht, sich vor ihrer Mutter zu outen und zieht für sie eine seltsame, durchaus humoristische Show ab. Als ob ältere Menschen nicht für voll zu nehmen sind und offen sein könnten. Tja, zur eigenen sexuellen Orientierung und Beziehung zu stehen ist scheinbar für viele Menschen schwierig und eine große Überwindung. Sehr zeitgemäß positioniert sich auch Marie Theres‘ Tochter, der die Mutter erstmal auch etwas vorgespielt, bis sie sich dann erst recht sowieso absolut lässig und offen zur amourösen Entwicklung ihrer Mutter positioniert. Wunderbar. Ich liebe diesen Film!
    (Dominika Krejs)
    26.03.2024
    09:27 Uhr