Filmkritik zu Robot Dreams

Bilder: Polyfilm Fotos: Polyfilm
  • Bewertung

    Träumen Androiden von elektrischen Hunden?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als 1000 Worte. Das hat sich wohl auch „Robot Dreams“ gedacht – ein kleiner Animationsfilm mit einer knackigen Laufzeit von 100 Minuten, der die ganz großen Gefühle einfangen möchte und das, ohne die Charaktere auch nur einen verbalen Dialog sprechen zu lassen. Die Handlung startet dabei in einer eigentlich tristen Welt. Ein grauer Hund lebt im New York der 1980er Jahre, welches von allerlei anthropomorphisierten Tieren bevölkert ist. Aber in einer Großstadt kann man sich trotz vieler Bewohner:innen auf einen Lebensraum allein fühlen. Deprimiert und von Einsamkeit geplagt ersehnt sich der Hund einen Freund. Deswegen kauft er sich einen. Nämlich einen Roboter, der naiv die Welt entdeckt, voller Freude und Liebe. Und den er dann zu lieben lernt.

    „Robot Dreams“ basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Sara Varon für Kinder. Und das Ursprungsmaterial merkt man auch in jedem Moment. Ästhetisch hält sich der Film nämlich an die Comicvorgabe. Mit einem simplen Zeichenstil schafft er es, Emotionen auf einfache, aber effektive Weise rüberzubringen. Wie ein Comic-Panel sind dabei die Bilder strukturiert, wodurch teilweise sehr schön gerahmte Einstellungen mit einem Kniff in der Komposition zustande kommen.

    Und die Optik spiegelt die gesamte Mentalität des Werkes wider. Denn der Film strahlt in jeder Sekunde zuckersüßes Charisma aus und ist vollgestopft mit Wohlfühl-Momenten oder herzzerreißenden Augenblicken. Dahingehend greifen Komik, Animation, Figuren und Geschichte perfekt ineinander. Neben anderen bekannten Musikstücken, greift „Robot Dreams“ den Song „September“ der Band Earth, Wind & Fire (mehrmals) auf und verpackt das Lied in verschiedenen Situationen und Versionen, sodass es einem auch nach Verlassen des Kinosaals im Ohr heften bleibt. Generell bedient sich der Film an unzähligen popkulturellen Referenzen: Der Roboter wirkt wie aus „The Iron Giant“ gesprungen (nur in klein), Verkleidungen aus „The Shining“ und „Nightmare on Elm Street“ tauchen auf, „Star Wars“-Figuren stehen im Hintergrund und eine gesamte Szene spielt im Setting von „The Wizard of Oz.“ Allerdings wirken die Anspielungen aufgrund ihrer Häufigkeit mit der Zeit ermüdend.

    Selbst narrativ merkt man die Comic-Vorlage. Denn gerade im Mittelteil erzählt „Robot Dreams“ episodisch von seinen für den Moment voneinander getrennten Figuren. Das fühlt sich an, als würde man zu den Cartoon-Seiten sämtlicher Wochenzeitungen blättern, ohne eine andere Sektion gelesen zu haben. Einerseits bekommt man dadurch auch Abwechslung geboten. In Traum-Szenen wird sich der Film etwa seinem Medium bewusst und lässt seine Figuren auch mal aus dem Bild springen und auf die Animationskonventionen aufmerksam machen. Aber zugleich macht sich bemerkbar, dass der Plot hier den Fokus aus den Augen verliert. Mehrfach werden Sideplots geöffnet, die aber nicht mehr aufgegriffen werden. Dadurch spürt man eine gewisse Langatmigkeit. Glücklicherweise fängt sich die Geschichte gegen Ende nochmal und findet einen emotionalen Höhepunkt.

    „Robot Dreams“ handelt von Träumen, und zwar sowohl den surrealen als auch den sehnsüchtigen. Vom Verlangen, aus Einsamkeit Zweisamkeit zu machen. Vom Wunschdenken, wieder zurückzufinden. Von den Träumen der Vergangenheit.

    Ich habe „The Iron Giant“ in einer „Zootopia“-Welt erwartet, was ich auch bekommen habe, nur überraschenderweise noch mit ganz viel „Past Lives.“
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    (Tobit Rohner)
    21.10.2023
    09:37 Uhr
    First milk, then Cornflakes
    just like my movie taste.

    Betreibt den Podcast @Filmjoker

    Aktiv auf Letterboxd @Snowbit