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  • Bewertung

    Hoffnungslos ermittelnd

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Lav Diaz kehrt mit „Essential Truths of the Lake“ zurück zur Figur des von John Lloyd Cruz verkörperten Lieutenant Hermes Papauran, der Viennale-Besucher*innen schon im vergangenen Jahr in „When the Waves are Gone“ auf der Leinwand sehen konnten. „Essential Truths of the Lake“ ist genau genommen eine Art Prequel zu Diaz‘ letztem Film und spielt einige Jahre vor den Geschehnissen von „When the Waves are Gone“. Im Publikumsgespräch im Anschluss an die Vorstellung kündigt Diaz noch eine dritte Episode an, die in Arbeit ist.

    Erzählt wird eine frühere Episode aus dem Leben des Ermittlers Hermes Papauran, den der seit 15 Jahren ungelöste Fall einer verschwundenen Aktivistin namens Esmeralda Stuart umtreibt. Wie schon in „When the Waves are Gone“ befindet sich Hermes in einem inneren Konflikt, der seine Rolle als Polizist im korrupten und gewaltvollen System des ehemaligen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte mitsamt dessen brutaler Anti-Drogen-Kampagne in Frage stellt. In typischer Noir-Manier folgen wir einem Ermittler, den man kaum als Helden bezeichnen kann und der in diesem Film seine Vorgesetzte bittet, den seit 15 Jahren ungelösten Fall wieder aufrollen zu dürfen.

    Inhaltlich ist „Essential Truths of the Lake“ nur durch die gleichbleibende Hauptfigur lose an Diaz‘ Vorgängerfilm angebunden, aber politisch und ästhetisch hat sich im Vergleich zu „When the Waves are Gone“ wenig geändert. Während Duterte zwar seit 2022 nicht mehr im Amt ist, sind Lav Diaz‘ Bemühungen, gegen dessen Regime (und das auf Duterte folgende unter Ferdinand Marcos Jr.) anzufilmen, wenn überhaupt noch stärker geworden. Gleich das erste Bild des Films macht das deutlich: auf dem Boden liegt eine Leiche, daneben ein Schild, das den Gestorbenen als Drogenhändler markiert, der damit ungestraft getötet werden darf. Ob das stimmt oder – wie seine Ehefrau in der Eröffnungsszene beteuert – eine falsche Anschuldigung ist, spielt keine Rolle mehr. Grundlose Gewalt durchzieht die langen Einstellungen von „Essential Truths of the Lake“, genauso wie die fruchtlosen Ermittlungen Hermes Papaurans. Esmeraldas Leben als öffentliche Figur irgendwo zwischen Umweltaktivistin und Performancekünstlerin wird in Rückblenden erzählt, die sich mit den gegenwärtigen Geschehnissen spätestens dann vermischt, wenn Hermes bei seinen Ermittlungen Esmeraldas Vogelkostüm entdeckt. Hermes‘ Gespräche mit Einheimischen rund um den Vulkansee, in dessen Nähe Esmeralda verschwand, bleiben wenig zielführend. Irgendwann treten die Ermittlungen endgültig in den Hintergrund, wichtiger wird die hypnotische Wirkung der Tableaus, in denen Traum und Wirklichkeit verschwimmen und die Zeit stehenzubleiben scheint.

    Lav Diaz bleibt sich in „Essential Truths of the Lake“ treu, während zu den gesellschaftlichen Abgründen des Duterte-Regimes hier auch noch die Klimakatastrophe einen Weg in sein Werk findet. Man darf gespannt sein auf den dritten Hermes-Papauran-Film, der wohl (zum Teil) in Portugal spielen soll.
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    (Hans Bonhage)
    16.11.2023
    23:03 Uhr