Filmkritik zu We Are Zombies

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Untote unter uns

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Wer hat Angst vorm toten Mann? Heute wohl fast niemand mehr. Seitdem George A. Romero in den späten 60er-Jahren den Zombie zum salonfähigen Filmmonster gemacht hat, ist er aus dem Horrorkino nicht mehr wegzudenken - im Guten wie im Schlechten. Durch ihre Überpräsenz im Genre bringen diese wiederbeseelten Leichen, diese vernarbten Körperfresser nämlich nicht mehr den nötigen Biss mit. Was einst frisch und unheimlich wirkte, ist zum allgegenwärtigsten Motiv zynisch läppischer B-Movies verkommen. Demnach sollte zumindest dem Versuch, dem verwesten Genre neues Leben einzuhauchen, Lob ausgesprochen werden. In ihrem neuesten Streich zeichnen François Simard, Anouk Whisell und Yoann-Karl Whisell das Bild einer zombieverseuchten Gesellschaft, die harmoniebedürftiger ist, als sich erahnen ließe.

    Von apokalyptischen Ausmaßen ist die Welt, die „We Are Zombies“ entwirft, weit entfernt - zumindest zu Anfang. Mit begleitendem Voiceover werden wir eingeführt in eine Welt, in der Menschen und Monster, Lebende und Lädierte koexistieren. Fürchten muss man sich vor diesen Untoten jedenfalls nicht: hier gibt es keinen Blutdurst, den es zu stillen gilt, kein Verlangen nach Menschenhirnen oder Innereien. Nein, diese Zombies sind harmlos und obendrauf noch gesellschafts- wie arbeitsfähig - wenn auch mit lähmenden Handicap. Wo aber ein Benachteiligter, da ein Nutznießer: Während die zwielichtige Colman Corporation den gehorsamen Untoten das Blaue vom Himmel verspricht, politisch korrekt werden sie hier als „living impaired“ (auf Deutsch: lebensbeeinträchtigt) bezeichnet, stehen schelmische Experimente in Planung. Inmitten dieses (pseudo-)symbiotischen Zusammenlebens folgt die Komödie einem dynamischen Dreiergespann, das den bösen Machenschaften des Konzerns schon seit einer Weile den Kampf angesagt hat. Karl (Alexandra Nachi), seine taffe Halbschwester Maggie (Megan Peeta Hill) und sein bäriger bester Freund Freddy (Derek Johns) waren bislang ungeschoren davonkommen. Ihre Glückssträhne hat aber ein Ende. Der mächtige Konzern will sich rächen und entführt die Großmutter des Mittzwanzigers. Der Beginn einer chaotischen Irrfahrt, dessen Weg mit Leichen gepflastert ist - lebenden wie zerstückelten.

    Nach der gefeierten Endzeit-Hommage „Turbo Kid“ und dem Nostalgiker-Krimi „Summer of '84“, verneigt sich das kanadische Regiekollektiv (auch bekannt als „Roadkill Superstars“, kurz: RKSS) abermals gekonnt vor dem fantastischen Kino. Ihr Liebesbrief an den Zombiefilm ist gespickt mit vielen bewährten Zutaten, setzt diese aber in ein neues Licht. Und dieser originelle Twist macht die erste Hälfte von „We Are Zombies“ zu einem in der Tat spaßigen Ritt, der nicht mit Gore-Effekten geizt. Die Hauptfiguren amüsieren in ihrer Unbeholfenheit, das Konzept lässt Platz für beißende, dem Zombiefilm ohnehin zugehörige Kapitalismuskritik. Ausgerechnet im Grande Finale nimmt das sonst pointierte Drehbuch jedoch ein paar unglückliche Abkürzungen. Dem Ende fehlt es an Konsequenz und narrativer Stringenz, subversive Ideen werden bedauerlicherweise zum Status Quo zurückgeführt. Erzählerische Faulheit bringt das blutige Vergnügen noch vorm Endspurt zum Halt. Unterhaltsam bleibt der Zombie-Irrsinn trotzdem - wenn auch mit nervigen Abstrichen. Was soll: Hirn aus und durch!
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    (Christian Pogatetz)
    26.09.2023
    21:02 Uhr