Filmkritik zu Daaaaaali!

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  • Bewertung

    Salvador Dali und die Kunst

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Quentin Dupieux Werke mögen nicht für jedermann sein. Nur ein Beispiel: Im 2010 erschienenen „Rubber“ wird eine Geschichte über einen lebendig gewordenen Autoreifen erzählt. Weitere Ausführungen erübrigen sich wohl. Das Werk des französischen Regisseurs lässt sich vermutlich mit Worten wie „verrückt“, „eigenartig“ und „experimentell“ am besten zusammenfassen. Auch „Daaaaaali!“, der auf den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig läuft, ist keine Ausnahme. Er bietet in Hinblick auf Dupieux' Filmographie aber zumindest eine sehr gute Einsteigerfreundlichkeit.

    Judith (Anaïs Demoustier) ist Journalistin und plant ein filmisches Portrait über den surrealistischen Künstler Salvador Dali (Gilles Lellouche). Das gestaltet sich von Interview zu Interview schwieriger, immerhin handelt es sich um einen exzentrischen Künstler par excellence. Der Umstand, dass es für Dali keinerlei gelungene Kunst gibt - es sei denn, es steht sein Name drauf und alles wird durch ihn kontrolliert - erschwert die Dokumentation zusätzlich. Das Werk droht wie ein Kartenhaus in sich einzustürzen.

    Dali war ein Ausnahmekünstler, keine Frage, andernfalls wäre er vermutlich auch niemals so erfolgreich geworden. Die logische Folge: Ein filmisches Portrait über Salvador Dali muss mindestens genauso ein Ausnahmewerk sein, am besten durch und durch surrealistisch und in jedem Fall unkonventionell. Dupieux setzt dem Publikum genau das vor, nicht mehr und nicht weniger, indem er bereits in den ersten fünf Minuten einen herrlich überspitzten Humor auspackt, ganz im Geiste Dalis. Auch die restlichen 72 Minuten führt er dies fort und macht nicht halt vor narrativen Brüchen, einem Traum im Traum (im Traum (im Traum)) und er tobt sich durchgehend wild wie ein waschechter Künstler aus.

    Das ist, zum Glück, zu keinem Zeitpunkt überfordernd, im Gegenteil. Filmfans, die noch keinen einzigen Quentin Dupieux in ihrem Leben gesehen haben, sollten sogar unbedingt zu „Daaaaaali!“ greifen, der einen wunderbaren Einstieg in das Werk des mal mehr, mal weniger verrückten Regisseurs bietet. Auch wenn der Humor unkonventionell ausfällt, eckt er nämlich zu keinem Zeitpunkt zu sehr an, sondern pegelt sich irgendwo zwischen harmlos, ausgefallen und unfreiwillig komisch ein. Dabei fällt die Breite gar nicht so divers aus, stattdessen hält Dupieux seinen Fokus auf ausgewählte spielerische Mittel wie Repetition und Anachronie. Eine gute Entscheidung, da der Film sonst wohl zu überladen wäre, würden plötzlich noch ganz andere humoristische Elemente hinzukommen.

    Der Humor ist dabei nicht zwangsläufig an die Verkörperung des surrealistischen Künstlers gekoppelt. Das ist insofern mutig, da sich Dupieux bewusst nicht an beispielsweise schmelzenden Uhren oder brennenden Giraffen aufhält und schon gar nicht von Gemälde zu Gemälde des Surrealisten springt. Vielmehr erweckt es den Eindruck, dass Dupieux Dali gut genug studiert hat, um sagen zu können, was dem exzentrischen Künstler gefallen könnte und was nicht. Wichtig ist dabei zu betonen, dass dies kein Fan-Film ist, dafür sorgt vordergründig eine Komponente.

    Dadurch, dass Dupieux nicht nur Dali, sondern letztlich auch sich selbst als Künstler hinterfragt, kommt eine gelungene reflexive Ebene hinzu. Gegen Ende erreicht das seinen Zenit, es wird so lange probiert und hin und her geschnitten, bis der „perfekte“ Film erreicht wurde. Salvador Dali selbst würde den Film wohl lieben - oder hassen, weil er zu gelungen inszeniert ist und noch schlimmer: Quentin Dupieux (und nicht er selbst) als Macher angeführt wird.

    Fazit: Das Porträt über den Künstler des Surrealismus ist nicht minder surrealistisch, bietet viel zum Lachen und erweist sich nie als zu verrückt. Während Fans von Dupieux definitiv auf ihre Kosten kommen werden, kann der Rest ebenso zugreifen, da die Laufzeit mit 77 Minuten relativ kurz ausfällt.
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    (Michael Gasch)
    09.09.2023
    17:01 Uhr