Filmkritik zu Mainstream

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    No One Special

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Sieben Jahre hat es gedauert, bis Gia Coppola - Enkelin von Francis Ford Coppola und Mitglied des bekannten Coppola-Clans - nach „Palo Alto“ ihren zweiten Langspielfilm „Mainstream“ produzierte. Statt Emma Roberts und James Franco sind dieses Mal Maya Hawke und Andrew Garfield am Start; in einer Satire, die sich einem Thema widmet, welches aktueller nicht sein könnte: dem Einfluss von Social Media in unserer heutigen Zeit.

    Die junge Frankie (Maya Hawke) verlor ihren Vater bei einem Autounfall - seitdem ist nichts mehr, wie es war. Ihren trostlosen Alltag vertreibt sie sich in einer Bar, in der sie als Barkeeperin arbeitet und mit dem Filmen von YouTube-Videos, wobei die herbeigesehnten Follower*innen ausbleiben. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als sie in einem Einkaufszentrum auf Link (Andrew Garfield) trifft, der im Mäusekostüm Käseproben verteilt und, nachdem Frankie ihre Handykamera auf ihn richtet, eine regelrechte Show abzieht. Links überdrehte, unkonventionelle Art, mit der er Passant*innen dazu auffordert, anstatt ihrer Einkäufe ein im Hintergrund hängendes Bild von Kandinsky zu konsumieren („Eat the Art!“), kommt nicht nur bei Frankie gut an, sondern auch bei den Zuseher*innen auf YouTube. Für Frankie ist schnell klar: Link ist der geborene Social-Media-Star. Gemeinsam mit Link und ihrem Arbeitskollegen Jake (Nat Wolff), der unsterblich in sie verliebt ist, erarbeitet sie daraufhin ein Konzept, um Link als „No One Special“ berühmt zu machen. Das Vorhaben scheint vorerst aufzugehen, doch die anfängliche Euphorie zieht schnell auch Schattenseiten nach sich.

    Die Jagd nach Likes und Zuschauerzahlen: Im Zeitalter von Instagram und Co. nichts Ungewöhnliches. Nicht verwunderlich also, dass sich Gia Coppola für ihren Film über das Influencertum an der Produktionsweise von aktuellen Social-Media-Trends orientiert. Dass dies allerdings auch zu viel des Guten sein kann und dass der Film mit einigen Höhen und Tiefen zu kämpfen hat, beweist „Mainstream“ allerdings leider auch.

    Bereits der Beginn erscheint etwas holprig, wobei wohl die größte Frage bleibt, warum man hier zeitweise auf aus der Stummfilmzeit bekannte Zwischentitel zurückgreift, die nicht wirklich originell erscheinen und später dann ohnehin nicht mehr zum Einsatz kommen. Wofür war das gut? Weiter geht’s mit dem ersten, „professionell“ gefilmten YouTube-Video von Link, für welches das neu formierte Team in eine Villa in L.A. einbricht, um dieses aufzunehmen. Dies erinnert nicht nur an „The Bling Ring“, einem Film von Gias Tante Sofia, sondern stellt auch eines der Highlights in „Mainstream“ dar, da es den Charakter von gängigen YouTube- oder TikTok-Videos im Hinblick auf ihre Reizüberflutung perfekt einfängt. Leider nimmt der Film in der zweiten Hälfte dann wieder konsistent an Substanz ab, was vor allem am eher durchwachsenen Drehbuch liegt. Coppola, die dieses gemeinsam mit Tom Stuart verfasste, wirft immer wieder Fragen auf – sei es als sozialer Kommentar oder innerhalb des privaten Umfelds der Figuren – die sie dann doch nicht zu beantworten scheint. Darüber hinaus herrscht ein regelrechtes Durcheinander an Themen: Social Media, Narzissmus, Trauer, Tristesse. Und ein Liebesdreieck wird auch noch eingeworfen.

    Bei allen Schwachstellen weist „Mainstream“ allerdings auch seine guten Seiten auf: der Film wirkt insgesamt sehr ambitioniert und auch die Darsteller*innen machen nichts verkehrt. Andrew Garfield scheint für seine Rolle als Link perfekt gecastet zu sein, die sicherlich zu den Highlights seiner bisherigen Karriere gehören. Maya Hawke, die sich nach ihrem Durchbruch mit „Stranger Things“ nun auch vermehrt Filmrollen widmet, verblasst hingegen etwas, was aber vor allem dem Drehbuch und ihrem eher eintönig anmutenden Charakter zuzuschreiben ist. Nat Wolff, dessen Charakter vor allem die Funktion des Gewissens der Gruppe erfüllt und als ein Bestandteil des sich zu entwickelnden Liebesdreiecks auserkoren wird, wirkt zwar äußerst sympathisch, ist allerdings auch nicht wirklich unerlässlich. Seine Musikeinlagen wirken allerdings immerhin sehr stimmig. Witzig erscheint außerdem so mancher Gastauftritt, u.a. von Johnny Knoxville als Talkshow-Moderator oder von zahlreichen Influencern, die als sie selbst auftreten (u.a. Juanpa Zurita, Jake Paul oder Patrick Starrr). Visuell ist „Mainstream“ auch äußerst ansprechend und wartet hierbei mit einigen interessanten Einfällen auf, zum Beispiel wenn Maya Hawke Emojis in ein Waschbecken kotzt. Der Schnitt ist sehr rasant, manchmal sogar zu rasant, was aber wiederum zu der Schnelllebigkeit von Social Media passt. Und die Musik, die von Blood Orange komponiert wurde, macht auch nichts verkehrt.

    Zusammengefasst ist„Mainstream“ ein Film voller innovativer Ideen, welcher den Zeitgeist des Social-Media-Zeitalters gekonnt einfängt. Andrew Garfield glänzt geradezu in seiner Rolle als äußerst energischer Influencer. Wie ein Duracell-Hase auf Crack schlängelt er sich von Szene zu Szene und provoziert dabei den ein oder anderen moralischen Schulterklopfer. Während der Film zwar sehr stylisch inszeniert ist, weisen manche Handlungsstränge aufgrund des schwachen Drehbuchs doch wieder 08/15-Schemata auf, die den Film dann wieder konventioneller erscheinen lassen, als er vorzugeben mag. Coppolas Film ist aber dennoch sicherlich nicht eines: Mainstream.