Filmkritik zu Hopper/Welles

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    Auf ein Gespräch mit zwei Hollywood-Größen

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    „Citizen Kane“-Mastermind Orson Welles war zweifelsohne einer der einflussreichsten und innovativsten Filmemacher/Schauspieler, die in der Traumfabrik Hollywood je Fuß fassten. Der 2010 im Alter von 73 Jahren verstorbene Dennis Hopper, der sich primär als Schauspieler einen Namen erarbeite, für heutige Klassiker wie „Easy Rider“ später jedoch auch ins Regiefach wechselte, galt für seine Arbeit ebenso als hochgeschätzter Mann in der Industrie. In ihren weitumfassenden Karrieren haben die beiden jedoch nur ein einziges Mal miteinander gearbeitet – eine Zusammenarbeit, die der Zuschauerschaft über Jahre hinweg verwehrt blieb. Im Herbst 2017 - knapp 34 Jahre nach dem Tod von Tausendsassa Welles – wurde dessen bis dahin unveröffentlichtes Experimentalfilmprojekt „The Other Side of the Wind“ dann endlich fertiggestellt und auf der Streaming-Plattform Netflix veröffentlicht. Im Zuge der Dreharbeiten entstand 1970 ein sehr persönliches Gespräch zwischen Welles und Hopper, das für den lange Zeit unvollendeten Film, in dem Hopper sich selbst verkörperte, gefilmt worden war. Das Material dieses intimen Gesprächs wurde in den vergangenen Jahren restauriert und wird nun in seiner vollen (scheinbar ungeschnittenen) Pracht von 130 Minuten als Dokumentarfilm mit dem Titel „Hopper/Welles“ veröffentlicht.

    Die Kamera bleibt die ganze Zeit über auf Dennis Hopper gerichtet. Orson Welles schlüpfte hingegen in die Position des Interviewenden und filmte das dabei herausgekommene Gespräch, ohne sich je selbst vor der Kamera zu präsentieren. Was hierbei entstand, ist ein äußerst faszinierender wie auch unterhaltsamer Talk zwischen zwei Legenden der Filmgeschichte, die an zwei unterschiedlichen Fronten Hollywoods gefangen waren. Auf der einen Seite haben wir mit Welles einen klassizistischen, kauzigen Exzentriker älteren Semesters, der in seiner amüsanten Direktheit gerne mal ausfällig werden kann – auf der anderen mit dem eher zurückhaltenden Hopper jemanden, der für seine Arbeit an „Easy Rider“ als Symbolfigur des jungen, wilden Hollywoods galt. Dessen auf politischer Ebene republikanische Haltung war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht offen bekannt. Wenn denn Hopper im Laufe des Gesprächs dem progressiven Welles nun aber davon erzählt, wie er sich mit der Interpretation, die sich viele Sympathisanten der damaligen Hippie-Gegenkultur für sein Regiedebüt zusammengereimt hatten, kaum identifizieren könne, kommt dessen eher konservativ-gerichteter Geist zum Vorschein. Unterstrichen wird dies von einer darauffolgenden Debatte, in der die beiden darüber diskutieren, ob Schauspieler sich überhaupt in der Öffentlichkeit politisch äußern sollten und sich Hopper selbst als angeblich apolitischer Mensch bezeichnet.

    Wie man es nicht anders vom Wahnsinnsgenie Welles erwartet, nahm sich dieser auch während des Gesprächs mit Hopper kein Blatt vor dem Mund. So fällt bereits in den ersten Minuten am Ende eines Wortgefechts der amüsante Spruch „Fuck the audience!“, der von Welles in seiner gewohnt eindringlichen Stimme serviert wird. Hopper war sichtlich daran bemüht, Welles mit seinem Filmwissen und seiner intellektuellen Ader zu beeindrucken. Letzterer versuchte aber in seinem aufbrausenden Charakter Hopper mit unangenehmen Fragen aus seiner Komfortzone zu locken.

    Zusammengefasst bleibt mit „Hopper/Welles“ ein faszinierendes Zeitdokument übrig, bei dem es sich zwar um keinen Film im klassischen Sinne handelt, jedoch um ein hochinteressantes wie auch unterhaltsames Gespräch zwischen zwei kreativen Genies mit unterschiedlichen Sichtweisen aufs Leben und dem Film als Kunstform.
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    (Christian Pogatetz)
    12.11.2020
    21:21 Uhr