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    Warum nicht du?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Nach ca. 30 Jahren als Filmeditorin verwirklichte Evi Romen nun ihren ersten Spielfilm als Regisseurin. Auf dem Zürich Film Festival wurde er bereits mit dem „Goldenen Auge“ für den besten Film im Fokus Wettbewerb ausgezeichnet. Seine Österreich-Premiere feierte er nun im Gartenbaukino im Zuge der Viennale in Anwesenheit von Cast und Crew.

    Nachdem der in Wien lebende Lenz (Noah Saavedra) an Weihnachten in sein Südtiroler Heimatdorf zurückkehrt, eröffnet er seinem besten Freund Mario (Thomas Prenn), dass er nach Rom reisen will, um dort seine Schauspielkarriere anzukurbeln. Mario, der wiederum von einer Karriere als Tänzer träumt, scheint mit Lenz mehr als nur Freundschaft zu verbinden und bricht gemeinsam mit diesem in die italienische Hauptstadt auf. Dort finden die Träume der beiden Männer jedoch ein jähes Ende: In einem LGBTQ-Club werden sie Opfer eines islamistischen Terroranschlags, bei welchem Lenz ums Leben kommt. Mario überlebt jedoch unverletzt, was die Heimkehr ins Dorf für den von der Dorfgemeinschaft ohnehin stets komisch beäugten jungen Mann als schwierig erweist. Seinem Trauma versucht er daraufhin mithilfe von Heroin zu entkommen, wodurch er am Bahnhof auf einen alten Bekannten, Nadim (Josef Mohamed), trifft. Nadim ist gläubiger Muslim und bringt Mario daraufhin mit dem Islam in Kontakt – ein weiterer Dorn im Auge der Dorfgemeinschaft.

    „Warum ist er tot? Und nicht du?“ fragt die Mutter von Lenz, nachdem Mario das Auto des Freundes der Familie zurückgebracht hat. Es sind die ersten Worte, die er nach dem verheerenden Anschlag zurück in der Heimat zu hören bekommt. Es scheint, als könne die gesamte Dorfgemeinschaft nicht mit dem Geschehenen umgehen: viele geben Mario die Schuld an Lenz‘ Tod, manche beäugen skeptisch die Tatsache, dass der Vorfall in einem LGBT-Club stattgefunden hat, alle sind erschüttert – aber niemand scheint sich um Mario zu kümmern. Die Mutter versichert zwar unter Tränen, wie froh sie ist, dass ihrem Sohn nichts passiert ist. Aber dann passiert wieder…nichts. Eine effiziente Traumabewältigung sieht jedenfalls anders aus.

    Die Handlung ist größtenteils in einem idyllisch wirkenden, südtirolerischen Bergdorf angesiedelt, dessen eindrucksvolle Kulisse einen guten Nährboden für die sich dort ereignende Handlung bietet. Diese konzentriert sich vollkommen auf Mario, der von Kameramann Martin Gschlacht immer gekonnt in Szene gesetzt wird – so auch, wenn wir ihm das erste Mal begegnen, in der Mehrzweckhalle des Dorfes, wo er eine Tanznummer im Stile John Travoltas einstudiert.

    Man merkt schnell, Evi Romen nimmt sich in ihrem ambitionierten Erstlingswerk dem Thema des Verlustes auf ganz besondere Weise an. Wichtig war ihr, wie sie im an den Film anschließenden Gespräch im Zuge der Viennale meint, Emotionen zu erzeugen. Dass gelingt ihr oft sehr gut, gerade im Hinblick auf die immer düsterer werdende Stimmung im Bergdorf, leider vermischt sie dafür aber auch sehr viele verschiedene Thematiken, weshalb der Fokus manchmal etwas verloren geht. Religionen, sexuelle Orientierungen, Gesellschaftsschichten, Stadt/Land-Unterschiede – alles wird behandelt, aber dadurch auch meist nur oberflächlich. Islamistischer Extremismus sollte aber beispielsweise lediglich als Zeitbild dienen, wie Romen betonte.

    „Hochwald“ hat sicherlich seine Schwächen, vor allem was das Drehbuch und den fehlenden Fokus betrifft. Seine Stärke liegt aber vor allem in der Inszenierung der Hauptfigur. Angesiedelt zwischen modernem Heimatfilm und emotionaler Gesellschaftsstudie wird auf berührende Art und Weise das Leben eines jungen Mannes gezeigt, der mit einigen Tiefschlägen zu kämpfen hat. Mario durchlebt im Zuge des Films eine regelrechte emotionale Tour de Force, die vor allem auch aufgrund der Darstellung von Nachwunschtalent Thomas Prenn ans Herz geht.