Filmkritik zu Get Out

Bilder: Universal Pictures International Fotos: Universal Pictures International
  • Bewertung

    Ein Hieb auf das moderne liberale Amerika

    Exklusiv für Uncut
    Angst vor den potenziellen Schwiegereltern ist ein altgediegenes humoristisches Mittel, das Regisseure gerne filmisch immer wieder einsetzen. Jordan Peele geht in diesem Film noch einen Schritt weiter. Sein schwarzer Hauptcharakter Chris muss nicht nur mit der Tatsache umgehen, in die superweiße reiche Mittelschicht Amerikas hineingestolpert zu sein, er bekommt es auch noch mit seltsamen Vorkommnissen zu tun. „Rat mal wer zum Essen“ kommt trifft „Die Frauen von Stepford“ und „Der verbotene Schlüssel“ haben es manche Kritiker schon betitelt. Eine treffende Beschreibung, aber Peele’s Film geht noch tiefer. „Get Out“ setzt sich mit dem modernen liberalen Amerika auseinander, der Political Correctness, die die weiße Oberschicht spätestens seit der Obama Administration zum intellektuellen Gut erhoben hat und wie sich diese mit dem tief verwurzelten Überlegenheitsgefühl und dem Umgang mit Rassismus schlägt.

    Peele, der in der Kombination „Key & Peele“ eher als Komiker bekannt ist, schlägt hier ernste Töne an. Vielmehr beweist er auch sein gutes Auge für Bild. Chris Befangenheit in seiner Umgebung wird nicht nur schauspielerisch zum Ausdruck gebracht, Peele lässt die Kamera Spielräume sich nach Beliebigkeit ausdehnen oder zusammenziehen, nutzt Großaufnahmen um Unbehaglichkeit zu schaffen und lenkt die Aufmerksamkeit immer wieder vorausblickend auf die kleinen Dinge. Sei es ein Handy oder eine offenstehende Schranktür. Peele nutzt klassische Einstellungen und Ausgangssituationen moderner Horrorfilme, ohne den erwarteten szenischen Ablauf zu folgen. Dies lässt den Zuschauer nachvollziehen, warum sich Chris trotz aller Beunruhigung noch nicht aus dem Staub gemacht hat, wie ihn der seltsam WASP-artig agierende schwarze Logan schreiend nahelegt, nachdem er durch einen Kamerablitz für kurze Zeit aus seiner Lethargie gerissen wird.

    Wenn man den Film eine Schwäche vorwerfen kann ist es jene, dass er im dritten Akt etwas zu hudeln beginnt. Da der Film nicht nach dem typischen „Abzähl-Prinzip“ funktioniert, in dem mehrere Charaktere in einer Horrorgeschichte der Reihe nach sterben, wird die Konfrontation mit den Peinigern recht kurzgehalten. Der Spannung tut dies jedoch keinen Abbruch, Peele lässt den Zuschauer bis zur letzten Minute in Ungewissheit wie die Geschichte für Chris ausgehen wird. Ein Film, der nicht nur unterhält sondern zu Ende auch zum Nachdenken anregt.
    susn_15a35adfde.jpg
    (Susanne Gottlieb)
    16.05.2017
    23:19 Uhr
    Meine Top-Filme: