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    Schwul und schwulenfeindlich

    Es ist eine wahre Geschichte, die dennoch unglaubwürdig dargestellt wird. James Franco spielt Michael Glatze, einstiger überzeugter Schwulenaktivist, der gefühlt von heute auf morgen nach religiösem Sinn in seinem Leben sucht und sich entscheidet als Pastor, Schwulen Heilung von ihrer Homosexualität zu versprechen. Schön ist, wie der Film die Problematik von Homosexualität und Kirche anspricht. Auf eine Art, in der nicht nur wie gewohnt die religiösen Fanatiker Unverständnis gegenüber anderen Liebesformen ausdrücken, sondern umgekehrt auch Homosexuelle Religion als Tabu-Thema etablieren und sich genauso engstirnig zeigen, wie man es von ihren Opponenten erwarten würde. Michael steht irgendwo dazwischen. Er ist schwul und gläubig, deutlich hin und hergerissen, weil er keinen Platz hat, an dem er einfach sich selbst ein kann, ohne sich, seine Homosexualität oder seinen Glauben verteidigen zu müssen. Im Ansatz ein schöner Film, der aber das falsche Resümee zieht. Ich weiß nur nicht, ob ich dafür dem Regisseur Justin Kelly (der hier sein Regiedebüt feiert), James Franco oder eben Michel Glatze selbst die Schuld dafür geben muss.
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    17.02.2015
    00:21 Uhr
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    Auf der Suche nach religiöser und persönlicher Identität

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    Die Pubertät ist eine der schwierigsten Phasen in der Entwicklung eines jungen Menschen zum Erwachsenen. Sie ist voll mit schwerwiegenden Enttäuschungen, großer Unsicherheit über die eigenen Wünsche und Vorstellungen von einem geglückten Leben und sie ist geprägt vom Kampf gegen die eigene Unsicherheit. Kommt in diese, mit einem Erdbeben vergleichbare Phase im Leben eines Menschen, noch die Entdeckung einer nicht massenkonformen sexuellen Orientierung dazu, wird sie beinahe unerträglich. Auch noch so verständnisvolle und liebevolle Eltern können hier wahre Freunde ersetzen und auch die eigenen religiösen Überzeugungen spielen eine wichtige Rolle. Nicht wenige sehen sich eines Tages vor die Entscheidung gestellt: Soll man die eigene Homosexualität akzeptieren und sich von der Glaubenstradition und vielleicht auch der Glaubensgemeinschaft verabschieden, mit der man so viele Jahre seines Lebens zu tun hatte? Oder doch die sexuelle Selbstbestimmung auf später aufschieben, vielleicht in der Hoffnung, dass sich schon alles „normalisieren“ wird?

    Für Michael tut sich genau diese Entscheidung eines Tages auf – wie soll er sich entscheiden? Regisseur Justin Kelly liefert in seinem Spielfilmdebüt ein überraschend bewegendes und sehr, sehr ausgewogenes Portrait eines Menschen auf der Suche nach Zugehörigkeit, Selbstvertrauen und Identität ab, das niemanden, egal ob homosexuell oder heterosexuell, kalt lassen kann. Viele Filme, die sich mit diesem Thema befassen, beziehen früher oder später Partei für die eine oder die andere Seite. Auch bei Justin Kellys Film ist klar, dass er große Sympathien für eine tolerante Position der Liebe und des Miteinanders hat. Dennoch zeigt er die Schwierigkeiten, die beide Seiten mit der Thematik haben auf und schmiedet dieses immer noch recht heiße Eisen auf überzeugende Weise zu einem der besten Filme zu diesem Thema seit langem. James Franco und Zachary Quinto, aber auch Emma Roberts spielen einfach sensationell. Nur selten vergeht die Zeit im Kino schneller als es einem lieb ist. Ein wunderbarer Film, dem man nicht nur der LGBT-Szene wärmstens ans Herz legen kann, sondern auch jenen gut tut, die sich aus religiösen Gründen nach wie vor mit Homosexualität schwer tun. Weiter so, Justin Kelly und James Franco (der den Film auch produziert hat), von solchen Filmen kann es nicht genug geben.
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    11.02.2015
    00:30 Uhr