Bevor ich mich zu einem Urteil über den Film „Briefe an Julia“ hinreißen lasse, müssen wohl erst zwei Details geklärt werden, damit das nachfolgende auch im richtigen Kontext verstanden wird. Erstens: Ja, der Film ist vorhersehbar und strotzt vor Klischees. Zweitens: Ich gebe es zu, ich habe mich gut amüsiert.
Eine Frau kehrt nach fast 60 Jahren nach Italien zurück um ihre längst vergangene große Liebe zu suchen – und wird fündig. Dass beide Partner im Herbst ihres Lebens auch noch zueinander finden können, da beide, wie der Zufall es so will, verwitwet sind, erklär t sich wohl von selbst. Was will ich damit sagen will? Nun ja, etwaige Leute, die es in Betracht ziehen, sich diesen Film anzusehen, sollten darauf vorbereitet sein, ihre Erwartungen bezüglich jeder Form von Realismus an der Kinokassa abzugeben. Immerhin handelt es sich hier um eine romantische Komödie. Eine, mit einem sehr hohen Kitschfaktor um ehrlich zu sein.
Ein Mann klettert ein Gewächs entlang einer Hausmauer hoch, um einen Balkon zu erreichen und seine Liebste zu küssen – klar dass diese Pflanze umknicken muss, und der Romeo in spe auf den Boden aufprallt. Hätte er doch bloß die Treppen genommen. Was man den Film nun vorwerfen kann ist weniger dass er diesen Kitsch perfekt beherrscht, sondern seine Formelhaftigkeit. Vorhersehbarkeit lässt sich in diesem Genre zwar nicht vermeiden, aber trotzdem befindet man sich hier nicht beim Schach, wo man dem anderen immer 10 Züge voraus sein muss. Eine schöne Drehbuchidee leidet unter der Ideenlosigkeit ihrer Durchführung.
Sophie findet einen 60 Jahre alten Brief. Darin bittet die damals junge Britin Claire Julia, so wie in „Romeo und Julia“, um Rat. Soll sie mit ihrem italienischen Liebhaber durchbrennen, oder soll sie brav nach Hause zu den Eltern zurück kehren? Nun kann ja von der Tatsache abgesehen werden, dass hier eine fiktive 13-jährige um Rat gebeten wird, die aufgrund einer unerfüllten Liebe Selbstmord begangen hat. Immerhin reden wir ja hier von der großen, alles durchdringenden Liebe. Aber am Beispiel von Julias berühmter, trauriger Geschichte, wirkt die Love-Story im Film eher altbacken. Hierbei sind jedoch nicht etwa Claire und ihr Lorenzo gemeint – dieser hat einen, leider, viel zu kurzen Part um ernsthaft als handlungstragend charakterisiert zu werden. Lorenzo ist der berühmte MacGuffin, um den sich eine ganz andere Liebesgeschichte entspannt. Die von Sophie und Claires Enkel Charlie, der mit auf die Suche nach Lorenzo geht.
Das Problem das sich nun stellt – man kauft es den beiden nicht ab. Die romantisch inszenierten Szenen zwischen beiden, wenn sie gemeinsam durch Postkartenansichten von Italien schlendern, sind zwar hübsch gemacht, die angebliche tiefe Liebe, die aber plötzlich zwischen den beiden aufkeimt, bleibt dabei für den Zuschauer aber auf der Strecke. Dieser Umstand hängt auch in keiner Weise mit der Tatsache zusammen dass Sophie bereits einen Verlobten hat – der natürlich durchaus fehlerhaft ist, weil es ja sonst nicht vertretbar wäre dass sich Sophie in einen anderen verliebt. Eher fragt man sich wie sich Gael Garcia Bernal, dieser Unglückrabe, in diesen Film verirren konnte. Immerhin kennt man ihn doch eher aus künstlerischen Produktionen.
Keine Stereotype – kein Italien im Film. Natürlich ist hier auch wieder die ganze Palette vertreten. Von der gefühlten 150 Jahre alten Oma, die nach Rezepten kocht, die gleich noch einmal so alt sind, Bilderbuchansichten diverser Städte, und der atemberaubenden Toskana – alles ist vertreten. Dass die Toskana eigentlich ganz woanders liegt als Verona, in der der Film zu Anfang spielt ist dabei wohl nebensächlich. Immerhin braucht die Liebesgeschichte wie aus einem Märchen auch ein Setting wie aus einem Märchen. Jedoch muss man dem Drehbuch zusprechen dass hierbei nicht zu dick auf die Tube gedrückt wird. Selbst die Darstellung der beiden britischen Charaktere ist angenehm zurückhaltend. Lediglich eine verbale Verknüpfung von „Brite“ und „steif“ kommt einem Charakter einmal über die Lippen. Viel eher wird den Zuschauern des englischen Originals der durchaus anstrengende falsche Posh-Englisch Dialekt des gebürtigen Australiers Christopher Egan auffallen. Aber man muss dem jungen Mann zugutehalten: er versucht sein Bestes.
Das Ziel des Filmes ist ganz klar, im Zuschauer den Glauben an die wahre Liebe wieder zu entfachen. Leider geht er dabei zum Teil so naiv an die Sache, dass dem Publikum wohl kaum mehr als ein belustigtes Schmunzeln über die Lippen kommen wird. Dass der Film trotzdem nicht allzu schlecht abschneidet, liegt vor allem am Charme seines Cast, und – man muss es zugeben - seinem entzückenden Setting. Man bekommt vielleicht unbedingt die Lust sich zu verlieben, aber wohl wieder einmal auf Urlaub zu fahren.