Forum zu Manodrome

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    Der Mann in der Opferrolle

    Da hat wohl jemand zu oft Herbert Grönemeyers Männer gehört. Oder steckt in einer Zeit fest, in der die Herren der Schöpfung noch das waren, was sie immer gerne sein wollen: Harte Jungs, die sich nehmen dürfen, was sie wollen, die Frauen unterdrücken, aus Furcht davor, sie könnten den Mann überflügeln. Diese Panik wird traurigerweise oft nur mit Gewalt kuriert statt mit der Bereitschaft, respektvollen Umgang, Gelassenheit und Selbstwertgefühl zu erlernen. Der Mann an sich folgt dabei Glaubenssätzen, die zu nichts führen, außer dazu, in Selbstmitleid zu ertrinken und dabei einen Minderwertigkeitskomplex zu füttern, der sie letztlich Amok laufen lässt. So wie im Film Manodrome, in welchem Jesse Eisenberg als so blasser wie teigiger Soziopath auf Biegen und Brechen versucht, zum starken, männlichen Helden, zum sich selbst genügenden Herkules zu mutieren.

    Dabei geht’s ihm gar nicht schlecht. Ganz im Gegenteil: Er lebt in einer Beziehung, die dem ersten Anschein nach relativ gut funktioniert – und er wird Vater. Was besseres als seine Gene weiterzugeben kann Mann sich gar nicht wünschen. Doch Ralphie, wie Eisenbergs Figur sich nennt, will alles und noch viel mehr. Er will die Freiheit, tun und lassen zu können, wonach ihm beliebt, keine Verantwortung tragen zu müssen, nur sich selbst gegenüber. Kraft, Muskeln, Mut und Ego: Wenn Ralphie sich im Gym halb zu Tode schwitzt und es nicht lassen kann, in der Umkleide neiderfüllt auf gestählte Muskelprotze zu blicken, die mit sich und der Welt im Reinen sind, weiß man längst, welcher Komplex den Typen reitet. Wie durch einen Wink des Schicksals macht der bis über beide Ohren in einer verfrühten Midlifecrisis steckende Möchtegern-Mann Bekanntschaft mit einer obskuren Gemeinschaft, angeführt vom geheimnisvollen und womöglich in NLP ausgezeichnet geschulten Dad Dan (Adrien Brody), der nichts anderes will, als den gebeutelten Ralphie auf den Pfad des selbstzufriedenen, erfüllten Mannes zu bringen, der letztlich alles hinter sich lässt – Frau, Kind und Familie. Der für nichts Rechenschaft ablegen muss und rund um die Uhr in die Selbstfürsorge geht, die längst nicht mehr das ist, was sie sein soll. Es ist die Nährung eines egozentrischen Weltbildes, die Entsagung jedweder möglichen Zurückweisung. Wohin das führt, wird schnell klar: Ein labiler Geist wie Ralphie findet die innere Stärke nicht in sich selbst, sondern in der Halbautomatischen, sprich: Die Waffe des Mannes ist sein Johannes. Und so wird aus der maskulinen Selbsthilfegruppe zumindest für manche die falsch verstandene offene Tür für reuelose Gewalt, die in ihrer Sinnlosigkeit den Sinn sucht.

    Letztjährig beim Slash Filmfestival in Wien als Österreich-Premiere ins Programm aufgenommen, ist der Thriller des südafrikanischen Regisseurs John Trengrove ein urbanes, graustichiges Sozial- und Psychodrama, das Jesse Eisenberg womöglich die beste Performance seiner Schauspielkarriere beschert, dessen dargestellten Lebensloser man aber abstoßend findet. Dieser Ralphie wird zur unsympathischen männlichen Kreatur, die ihrem Zwang, geschlechtsbezogenen Stereotypen zu entsprechen, immer wieder nachgeben muss. Manodrome – so nennt sich auch die kuriose Männerkommune unter Brody – zelebriert den Abgesang auf den obsoleten Mann letztlich als profanen Thriller, der einzig mit dem Mut Jesse Eisenbergs punktet, nicht zwingend misogyne, aber soziopathische Widerwertigkeit als abstürzenden, jokerhaften Kasper darzustellen, dessen Schicksal einem aber auch nicht ganz egal ist, da die Möglichkeit, aus dem Schlamassel herauszukommen und ein besseres Leben zu führen, nichts ist, was dieser prinzipiell abzulehnen gedenkt.

    Schlecht beobachtet ist Manodrome nicht, vielleicht etwas zu ungenau im Hinblick auf das Männersystem der Incel (ein Begriff, der mir bislang fremd war). Da der Fokus übertrieben stark auf Eisenberg liegt, gerät das Rundherum vielleicht etwas zu schal und antriebslos, doch im Grunde lässt sich die Dynamik schon erkennen, die Eisenberg ins Verhängnis treibt. In der Darstellung dessen, was männliche Krisen so alles anrichten können, ist Manodrome ein kränklicher Vogel, der durch das Entkommen eines vermeintlichen Käfigs nur wieder im Käfig landet. Das Bild am Ende verweist nicht zufällig auf Einer flog übers Kuckucksnest. Das männliche System ist wie ein unerbittliches Regime, aus dem sich mit Gewalt jedoch nicht ausbrechen lässt.



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    29.02.2024
    17:01 Uhr
  • Bewertung

    American Swolo

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Was bekommt man, wenn man ein gestörtes Männlichkeitsbild mit einer aufgeheizten Stimmung in den USA paart? Diesen zutiefst niederschmetternden Psychothriller.

    Ralphie (Jesse Eisenberg äußerst beeindruckend) schlägt sich als Uber-Fahrer durch. Wenn er nicht arbeitet, verbringt er die Zeit im Fitnessstudio. Er und seine Freundin erwarten in Kürze ihr erstes gemeinsames Kind. Von Geldproblemen geplagt fühlt er sich darüber hinaus von ihr irgendwie nicht mehr ernst genommen. Als er mit einer Sekte in Berührung kommt, nimmt eine Katastrophe ihren Lauf…

    Die Incel Culture hat vor allem in den USA schon längts die Gesellschaft unterwandert. Besonders im Internet ist sie wie ein Krebsgeschwür angewachsen. Männer, die sich in ihrer eigenen Identität nicht zurechtfinden und diesen Hass auf Frauen projizieren. Doch John Trengove wollte keinen Film über das Internet machen. Sein Ziel war es eine persönlichere Beziehung zu etablieren und die Idee eines Kults wurde geboren. Den führt er mit dem „Manodrome“ ein. Angeführt wird dieser von einem äußerst charismatischen Adrian Brody, bei dem man als Zuschauer durchaus nachvollziehen kann, wie er Jesse Eisenbergs Figur einlullen konnte.
    Ralphie stellt dazu ein Paradebeispiel dafür dar, wie Radikalisierung funktioniert: Finanzielle Probleme, fehlender Respekt, keine Vaterfigur. Ein Nährboden für Hass und Gewalt.

    Männlichkeit als Konzept wird komplett ad absurdum geführt. Beim Trainieren betrachtet sich Ralphie gern im Spiegel, er feiert seinen „männlichen Körper“, wenn das jedoch andere tun ist die Grenze überschritten. Wenn ihm ein Mann auch nur zulächelt, sieht er das als Angriff, doch in der körperlichen Nähe seiner „Mitmänner“ fühlt er sich geborgen. Feminine Popmusik muss ständig hartem, „männlichen“ Metal weichen. Sein Kind muss unbedingt ein Sohn werden. Unterdrückte Homosexualität wird ebenfalls kurz angeschnitten, wenn auch eher oberflächlich. Als noch eine Schusswaffe ins Spiel kommt, eskaliert die Situation völlig. Für Trengove und die Darsteller leider eine logische Konsequenz, ist das Thema doch tief in der amerikanischen Kultur verankert.

    Ähnlich Klassikern wie „American Psycho“ und „Fight Club“ verschwimmen irgendwann die Grenzen zwischen Realität und Einbildung. Welche scheußlichen Taten sind wirklich passiert und welche nur in Ralphies Kopf? Der Regisseur entschied sich, diese Fragen immer zeitnah zu beantworten, was es aber nicht einmal zwingend gebraucht hätte. Allein die Idee, dass er solche Gedanken haben könnte, lässt uns das Gewicht der Bedrohung spüren.

    Die Geschichte um die Weihnachtszeit herum anzusiedeln war beabsichtigt. Die festliche Stimmung mit der dunkler Thematik zu kombinieren schafft einen harten Kontrast, der dem Film eine zusätzliche Tragik verleiht. Weihnachten ist auch untrennbar mit Ralphies Geschichte verbunden. Sein Vater verließ ihn damals während des Festes, was einen unvorstellbaren Groll gegen alles was damit zu tun hat auslöste. Ebenso wie bei „Stirb langsam“ darf man sich auf eine spannende Debatte freuen, ob man „Manodrome“ nun als Weihnachtsfilm einstufen kann oder nicht.

    Was Männlichkeit bedeutet, wird bekanntlich seit Jahrhunderten wenn nicht Jahrtausenden diskutiert. Ich hoffe also inständig, dass „Manodrome“ genug Aufmerksamkeit bekommen wird, um drastisch vorzuzeigen, wozu die falschen Rollenbilder führen können.
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    21.02.2023
    13:52 Uhr