Filmkritik zu Manodrome

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  • Bewertung

    American Swolo

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Was bekommt man, wenn man ein gestörtes Männlichkeitsbild mit einer aufgeheizten Stimmung in den USA paart? Diesen zutiefst niederschmetternden Psychothriller.

    Ralphie (Jesse Eisenberg äußerst beeindruckend) schlägt sich als Uber-Fahrer durch. Wenn er nicht arbeitet, verbringt er die Zeit im Fitnessstudio. Er und seine Freundin erwarten in Kürze ihr erstes gemeinsames Kind. Von Geldproblemen geplagt fühlt er sich darüber hinaus von ihr irgendwie nicht mehr ernst genommen. Als er mit einer Sekte in Berührung kommt, nimmt eine Katastrophe ihren Lauf…

    Die Incel Culture hat vor allem in den USA schon längts die Gesellschaft unterwandert. Besonders im Internet ist sie wie ein Krebsgeschwür angewachsen. Männer, die sich in ihrer eigenen Identität nicht zurechtfinden und diesen Hass auf Frauen projizieren. Doch John Trengove wollte keinen Film über das Internet machen. Sein Ziel war es eine persönlichere Beziehung zu etablieren und die Idee eines Kults wurde geboren. Den führt er mit dem „Manodrome“ ein. Angeführt wird dieser von einem äußerst charismatischen Adrian Brody, bei dem man als Zuschauer durchaus nachvollziehen kann, wie er Jesse Eisenbergs Figur einlullen konnte.
    Ralphie stellt dazu ein Paradebeispiel dafür dar, wie Radikalisierung funktioniert: Finanzielle Probleme, fehlender Respekt, keine Vaterfigur. Ein Nährboden für Hass und Gewalt.

    Männlichkeit als Konzept wird komplett ad absurdum geführt. Beim Trainieren betrachtet sich Ralphie gern im Spiegel, er feiert seinen „männlichen Körper“, wenn das jedoch andere tun ist die Grenze überschritten. Wenn ihm ein Mann auch nur zulächelt, sieht er das als Angriff, doch in der körperlichen Nähe seiner „Mitmänner“ fühlt er sich geborgen. Feminine Popmusik muss ständig hartem, „männlichen“ Metal weichen. Sein Kind muss unbedingt ein Sohn werden. Unterdrückte Homosexualität wird ebenfalls kurz angeschnitten, wenn auch eher oberflächlich. Als noch eine Schusswaffe ins Spiel kommt, eskaliert die Situation völlig. Für Trengove und die Darsteller leider eine logische Konsequenz, ist das Thema doch tief in der amerikanischen Kultur verankert.

    Ähnlich Klassikern wie „American Psycho“ und „Fight Club“ verschwimmen irgendwann die Grenzen zwischen Realität und Einbildung. Welche scheußlichen Taten sind wirklich passiert und welche nur in Ralphies Kopf? Der Regisseur entschied sich, diese Fragen immer zeitnah zu beantworten, was es aber nicht einmal zwingend gebraucht hätte. Allein die Idee, dass er solche Gedanken haben könnte, lässt uns das Gewicht der Bedrohung spüren.

    Die Geschichte um die Weihnachtszeit herum anzusiedeln war beabsichtigt. Die festliche Stimmung mit der dunkler Thematik zu kombinieren schafft einen harten Kontrast, der dem Film eine zusätzliche Tragik verleiht. Weihnachten ist auch untrennbar mit Ralphies Geschichte verbunden. Sein Vater verließ ihn damals während des Festes, was einen unvorstellbaren Groll gegen alles was damit zu tun hat auslöste. Ebenso wie bei „Stirb langsam“ darf man sich auf eine spannende Debatte freuen, ob man „Manodrome“ nun als Weihnachtsfilm einstufen kann oder nicht.

    Was Männlichkeit bedeutet, wird bekanntlich seit Jahrhunderten wenn nicht Jahrtausenden diskutiert. Ich hoffe also inständig, dass „Manodrome“ genug Aufmerksamkeit bekommen wird, um drastisch vorzuzeigen, wozu die falschen Rollenbilder führen können.
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    (Markus Toth)
    21.02.2023
    13:52 Uhr