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    Ein Köder für den Milchbuben

    Genug von bedeutungsschwerem Betroffenheitskino. Genug der Tribute, genug der Ensemblefilme eines David O. Russel. Jennifer Lawrence will nun endlich Komödie. Und zwar so eine, wie es sie früher gegeben hat. So eine, wie sie Bill Murray oder Sean Penn groß gemacht haben. Ein Stück des American Pie solls sein, aber nur so viel, dass man nachher noch sittenvoll dinieren kann. Was es gar nicht sein soll, ist eine Sexklamotte im Fahrwasser von Eis am Stiel. Lieber ein Mix zischen John Hughes Young Adult-Kino und Leichter Frivolität, die maximal so weit geht, dass pubertierende Kids mit ihren Eltern sich gerade mal nicht fremdschämen müssen, wenn sie gemeinsam im Kino sitzen sollten.

    Dabei wünscht man sich, dass all die fiktiven Begebenheiten im Film nicht den realen des Publikums entsprechen. Im Film wird die in Geldnöten befindliche Jennifer Lawrence nämlich von den Eltern des 19jährigen Percy rekrutiert, um dem in Liebesdingen uninteressierten Schlaukopf das ABC heterosexueller Intimitäten beizubringen. Dabei muss das ganze mal mit einem Date beginnen, doch so einfach ist das nicht. Percy hat gewisse Wertvorstellungen, was Sex anbelangt – Maddie hat die nicht. Sie denkt nur an den Gratis-Buik, den sie bekommen wird, sollte sie ihre Mission erfüllen.

    Als Familienfilm geht No Hard Feelings (auf Deutsch: Nichts für ungut) gerade noch durch – das bisschen vulgäre Sprache möge man verzeihen oder am besten im Nachhinein gar nicht kommentieren. Worüber man aber reden könnte, ist der beharrliche Willen eines über die Maßen verdienenden Stars, in seinem mitproduzierten Film all das umgesetzt zu bekommen, was ihm so vorschwebt. Das ist zum Beispiel eine Nacktszene am Strand, in welcher sich Lawrence prügelt, als wäre sie eine Martial Arts-Ikone. Schließlich will sie sich nicht nachsagen lassen, übertrieben prüde zu sein. Alle anderen Szenen aber, die Nacktheit logischerweise erfordern würde, sind dann aber außen vor. Wie auch immer: konsequent ist das nicht.

    Konsequenz lässt sich auch sonst vermissen. Gene Stupnitsky, der in seiner Bubenkomödie Good Boys stets einen gewissen komödiantischen Rhythmus beibehält, ohne in übertriebenen Klamauk auszuschlagen oder ins Melancholische abzukippen (wozu es auch niemals einen Grund gegeben hätte), will natürlich allen Anforderungen gerecht werden, verkrampft sich aber bei seinem Spagat zwischen sozialkritisch angehauchter Melodramatik und komödiantischen Slapstick-Szenen, die fast schon an Bobby Farrellys Grotesken erinnern – mit dem einzigen Unterschied, dass sie kaum jemals unter die Gürtellinie treffen. Das wäre auch nicht das Niveau von Jennifer Lawrence, doch ein bisschen Pikantes geht immer. Dabei weiß sie selbst auch nicht, wie sie ihre Figur anlegen soll. Als promiskuitives Gelegenheitsflittchen, als hemdsärmeliges Prügelmädel? Als eine von Jugend auf traumatisiertes Sozialopfer, das ihr Leben nicht im Griff hat? Eine ruhige Hand, um ihre Rolle glaubhaft zu formen, hat Lawrence nicht. Da spielt sie Andrew Barth Feldmann in seinem Debüt fast schon an die Wand.

    Klamaukige Liebeskomödien, die gerne auch nachdenklich sein wollen, haben es sichtlich schwer, weil sie einerseits nicht vorhersehbar sein wollen, und andererseits den Übergang zwischen Laut und Leise wiederholt hinbekommen wollen. In No Hard Feelings geht der Plan nicht auf. Selten passen die aufeinanderfolgenden Szenen in ihrer Tonalität zusammen. Man weiß nach den ersten fünf Minuten, wie der ganze Spaß enden; man weiß auch, dass die Situationskomik sehr bald nur noch in Outtakes vorhanden sein wird. Aus einem vielversprechenden, durchaus witzigen Beginn, der manche Klischees auch verdreht, lähmt die moralische Ordnung und der Wille zum auserzählten Happy End jegliche Inspiration. Lawrence und Feldmann haben sich eigentlich nichts zu sagen, tun es aber trotzdem. Und das ist dann meistens langweilig.



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    15.08.2023
    16:51 Uhr
  • Bewertung

    Erwachsenwerden ist nie leicht

    Exklusiv für Uncut
    Vorgetäuschte Liebe geht selten glücklich aus. Das muss sich auch die chaotische Protagonistin dieser abenteuerlichen Comedy eingestehen, als sie einem unbeholfenen Teenie schöne Augen machen soll. Mit „No Hard Feelings“ möchte man der derben, amerikanischen Studiokomödie neues Leben einhauchen. Die Glanzzeiten dieser Filmgattung sind jedoch, nett gesagt, vorbei. Noch vor weniger als 20 Jahren konnten Filme wie „American Pie“ oder „Superbad“ ein Millionenpublikum in die Kinositze locken. Anno 2023 hat sich der Markt sichtlich verändert. Komödien ähnlicher Art gehen dieser Tage im unübersichtlichen Trott der Streamingwelt baden, zukünftige Kulthits zu kreieren scheint kaum mehr möglich. Eine traurige Entwicklung, der Regisseur Gene Stupnitsky („Good Boys“) mit geballter Starpower (in Form von Jennifer Lawrence) entgegenwirken zu versucht. Der innovative Rundumschlag bleibt aus, die Genre-bekannten Zutaten sind alle vorhanden. Doch übt der Film einen frischen, unverbrauchten Charme aus, dem das Schier unmögliche gelingt: Zuschauerinnen und Zuschauer vor die Leinwand zu bewegen. Und diesen hat der Film nicht einzig seiner selten besser besetzen Hauptdarstellerin zu verdanken.

    Oscarpreisträgerin und „Hunger Games“-Überlebende Lawrence spielt Maggie, eine 32-Jährige Uber-Fahrerin inmitten einer Lebenskrise. Nach einer Reihe unglücklicher Ereignisse hat sie ihr Auto und damit ihre Arbeitsgrundlage verloren - die Pfändung des Familienhauses naht. Was also tun? Wie es der Zufall will, sollte eine skurrile Anzeige im Onlineportal Craigslist für die junge Frau zum Lebensretter werden. Darin sucht ein wohlhabendes Elterngespann (Laura Benanti und ein nahezu unkenntlicher Matthew Broderick) nach einer Fake-Freundin für ihren Sprössling. Der 19-Jährige Percy (Andrew Barth Feldman: eine großartige Entdeckung) ist ein Spätzünder wie er im Buche steht. Bislang konnte er keine romantischen Erfahrungen verzeichnen: keinen Sex, kein Herumschmusen auf Partys, nicht mal einen mickrigen Kuss auf die Backe. Lieber verkriecht er sich in sein gut behütetes Schneckenhaus zurück oder hilft in einem nahegelegenen Tierheim aus. Einen solchen Jungen zu verführen dürfte ein Klacks sein, denkt sich die selbstbewusste Maddie. Während der eigensinnige Teenie langsam aber doch seinen Schutzpanzer ablegt, bahnen sich Gefühle an, die seine mutmaßliche Geliebte aber nicht ewig erwidern können wird. Zumal Maddie erkennen muss, dass sie selbst auch noch nicht die volle Verantwortung des Erwachsenendaseins übernommen hat.

    Sozusagen also Coming-of-Age mal zwei: zum einen aus der Sicht eines adoleszenten Mauerblümchens, das sich nicht ewig vor der Außenwelt verstecken kann, zum anderen aus der einer gestandenen Frau, die nicht mehr länger zurückschauen möchte. Die Parallelen zwischen der sonst so unterschiedlichen Lebensrealitäten arbeitet der Film clever heraus. Und diese bilden auch das Fundament für die aufrichtige Freundschaft, die das Narrativ zusammenhält. Es ist eine Geschichte über zwei Seelenverwandte, die im tiefsten Inneren wissen, dass es romantisch nie funktionieren werde, aber einander dennoch ergänzen. Wahre platonische Liebe halt. Eben die holprigen Annäherungsversuche und gschamigen Zugeständnisse, die zu dieser Erkenntnis führen, bereichern das Drehbuch mit jede Menge Gag-Potenzial. Eine gute Portion davon weiß auch zu zünden, nicht zuletzt aufgrund der Chemie und des großartigen Timings der Hauptaukteur*innen. Lawrence, die in Interviews schon vermehrt ihr komödiantisches Potenzial zur Schau stellen konnte, wurde endlich auch in einem Film besetzt, der diesem gerecht wird.

    Ohne Probleme kommt die spritzige Comedy aber nicht aus. So sehr die Lachmuskeln auch einem harten Training ausgesetzt werden, so sehr verkalkuliert man sich im Finale. Mit zunehmender Laufzeit verläuft sich der Plot im Banalen: Themen, die zunächst halbwegs subtil in die Geschichte verwoben wurden, gießt man plötzlich in überproportional süßen Kitsch. Nötig wäre dieser drastische Tonwechsel nicht gewesen und tut der für Comedy-Gewohnheiten ausgedehnten Laufzeit keinen Gefallen. Die treffsichere – auch filmisch kreativ umgesetzte – Rom-Com-Unterhaltung, die einem davor kredenzt wird, macht das aber nicht kaputt. Verfehlte Landung hin oder her.
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    05.07.2023
    11:05 Uhr