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18 Bewertungen
70.3% Bewertung
  • Bewertung

    Großartig

    The Whale (und vor allem die schauspielerische Leistung von Brendon Fraser) hat mich zu Tränen gerührt.
    Der Film ist an sich sehr ruhig, spielt immer an demselben Ort und trotzdem baut sich eine innere Spannung auf. Man fühlt mit Charlie mit, man hat Mitleid mit ihm, man ärgert sich über ihn, man will ihm helfen, ihn schütteln, man spürt seine Verzweiflung - am Ende sammeln sich all diese Gefühle und ich konnte im Kino gar nicht mehr aufhören zu weinen, den Anderen ging es scheinbar ebenso.
    Großartige Leistung von Brendon, man spürt den Schmerz in seiner Stimme so intensiv... Dr hat gefühlt, was er da gespielt hat!
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    10.12.2023
    09:16 Uhr
  • Bewertung

    Das Gute im Menschen

    Wäre ich Darren Aronofsky, wäre mir womöglich nie in den Sinn gekommen, diese exorbitant schwierig zu gestaltende Rolle des adipösen Charlie in The Whale mit einem wie Brendan Fraser zu besetzen. Berühmt und bekannt geworden ist dieser doch schließlich mit mittlerweile etwas angestaubten Schenkelklopfer-Komödien wie Steinzeit Junior oder George – Der aus dem Dschungel kam. Später war’s dann das Mumien-Franchise. Und erst kürzlich habe ich mir den Abenteuerklassiker aus den Neunzigern wieder zu Gemüte geführt. Ja, er funktioniert immer noch. Und Fraser ist nach wie vor einer wie Indy. Doch der Weg zum bitteren Drama ist ein weiter. Wie also kam Aronofsky auf Fraser? In Hollywood kennt wahrscheinlich ohnehin ein jeder jeden, vielleicht sind die beiden befreundet. Einer wie Aronofsky experimentiert wohl gerne mit Akteuren, die man unterschätzt und wagt die Probe aufs Exempel. Und siehe da: Sein Riecher war ein guter. Brendan Fraser versteckt seine eigentliche Physiognomie in einem kiloschweren Fatsuit, sein Gesicht aber bleibt weitestgehend frei von Silikon. Man blickt direkt ins Konterfei des Schauspielers, man sieht seine Mimik, man erkennt jede noch so kleinste Emotion. Seine Performance ist wohl eines der zärtlichsten und authentischsten Akts der letzten Zeit.

    Bei Aronofsky ist aber auch klar, dass er nicht darauf aus ist, sein Publikum in gefälliger Sicherheit zu wiegen. Das auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Samuel D. Hunter basierende Kammerspiel scheut sich nicht davor, seinen geschundenen, gejagten und letztlich gestrandeten Wal an die Grenze seiner autoaggressiven Exzesse zu bringen. Er lässt diesen Giganten schwitzen, weinen, erbrechen. Er lässt ihn fressen und stürzen. Doch er lässt ihn niemals den Glauben an die Menschheit verlieren – obwohl dies das Naheliegendste wäre, was sich angesichts einer gescheiterten Figur wie Charlie annehmen ließe. Der Literaturprofessor, der nur im Homeoffice via Online-Meeting mit seinen Schülern kommuniziert, ohne dass die ihn sehen, hat sich nach dem Tod seines Partners Alan nicht mehr aufrappeln können. Die Folge war Adipositas im Endstadium. Natürlich erinnert sein Auftreten an Darlene Cates in Lasse Halströms Gilbert Grape – irgendwo in Iowa, die als Johnny Depps Filmmutter ebenso schwer bis gar nicht aus dem Sofa kam wie Frasers Figur des Charlie. Der hat seinen geistigen Scharfsinn und seinen Anstand nie verloren. Genauso wenig wie den Ekel vor sich selbst und seinem Scheitern. Ganz oben auf der Liste der Versäumnisse steht Tochter Ellie (Sadie Sink aus Stranger Things), die Charlie, als sie noch Kind war, verlassen hat. Ellie ist im schlimmsten Teenageralter, hasst ihren Vater, kreuzt aber dennoch bei ihm auf. Scheint nur Böses im Sinn zu haben, denkt destruktiv und manipuliert andere. Und dennoch: Ihr Vater sieht nur Gutes in ihr – so wie in jedem Menschen. Diese Empathie wird wie die Hoffnung das letzte sein, was stirbt.

    Da ist dieser wache Geist, diese ruhige Stimme. Dieses Gutmütige, Verständnisvolle. Die Figur des Charlie wird zu einer Metaebene von Moby Dick – dieser Roman und sein Essay zieht sich begleitend durch das ganze Szenario. Dabei stellt sich heraus, dass die adipöse Leidensfigur Meeressäuger und Kapitän Ahab zugleich ist. Der Selbsthass wird zu einem vernichtenden Kreislauf führen – die wenigen Menschen, die die letzten Tage seines Lebens teilen, können nur zusehen und mit ihrem Altruismus letztlich nicht zu ihm durchdringen, da dieser doch nur zu ihrem Selbstzweck dient. Charlie hingegen schenkt den Rest seines missglückten Lebens seiner Tochter. Er ist der Einzige, der weitergeht, sich selbst versenkt, um andere aus dem Wasser zu ziehen.

    Natürlich fühlen sich für den Film adaptiere Bühnenstücke letztlich immer so an, als wären wir im Theater. Die Dialogregie ist anders, die Gespräche dichter. Die Emotionen, Stimmungen und Intonationen wechseln im klugen Rhythmus, um das Publikum bei der Stange zu halten. So ein Drama ist sprachlich komplex – und Aronofsky erfindet und interpretiert nichts dazu. Sein im Kern wunderschönes Requiem versinkt niemals im Selbstmitleid, obwohl der Himmel jenseits der düsteren Bude stets seine Schleusen öffnet. Sein Film ist finster und gleichzeitig strahlend hell, wenn Charlie über Sein und Nichtsein sinniert. Das Abstoßende in The Whale wird zum Teil eines inneren Kampfes, in dem es längst nicht mehr um den geht, der kämpft. Trotz dieser Selbstaufgabe trägt The Whale etwas ungemein Positives in sich – wenn man Charlie doch nur umarmen könnte, wenn dieser doch nur Teil des eigenen Lebens wäre. Es wäre eine Bereicherung. Nicht für ihn, aber doch für die anderen.


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    04.05.2023
    16:18 Uhr
  • Bewertung

    Brendan Fraser is back

    Man merkt „The Whale“ schon an, dass er auf einem Theaterstück basiert, gerade aufgrund der reduzierten Kamerabewegungen und scheinbaren Aneinanderreihung von Dialogen. Die Handlung stellt sich dabei leider als etwas klischeebehaftet heraus und die Inszenierung will manchmal zu viel des Guten (gerade in puncto Musik & Ende). Brendan Fraser spielt aber großartig und auch Hong Chau sorgt für ein hohes Maß an Emotionalität!
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    31.10.2022
    11:37 Uhr
  • Bewertung

    Mensch oder Monster?

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    „Steinzeit Jr.“, „George aus dem Dschungel“, „Die Mumie“: im Kino der 1990er- und frühen 2000er-Jahre ist man schwer um die Filmografie von Brendan Fraser herumgekommen. Lange galt der Amerikaner als einer der bekanntesten und profitabelsten Gesichter der Filmindustrie. Als 'leading man' zierte er die Poster namhafter Kassenschlager an und war beim breiten Publikum gerne gesehen. Doch dann schien sein Stern, ganz wie aus dem Nichts, verglommen. Der frühere Superstar zog sich schrittweite aus dem Rampenlicht zurück, nur mehr sporadisch tauchte er in Filmrollen auf. Wie sich später herausstellen sollte, war das alles andere als eine persönliche Entscheidung des Schauspielers. Vor wenigen Jahren gab Fraser bekannt, in den 2000er-Jahren von einem Produzenten sexuell belästigt worden zu sein. Als er versuchte, den Vorfall zu melden, wurde er von Hollywood auf die schwarze Liste gesetzt und eiskalt fallen gelassen.

    Jetzt wird der ehemals gefeierte Filmstar ausgerechnet von der Industrie, die ihn damals verstoßen und im Stich gelassen hatte, mit offenen Armen zurück empfangen. Welch blanke Ironie! Nach einzelnen Versuchen, mit kleinen Film- und Seriennebenrollen wieder im Fuß zu fassen, steht mutmaßlich nun die ganz große Rückkehr bevor - und das unter der Regie einer respektablen Größe. Kein anderer als Darren Aronofsky (u.a.: „Requiem For A Dream“, „Black Swan“) hat Fraser für die Hauptrolle in seinem neuen Projekt engagiert. Mit „The Wrestler“ hatte der renommierte Filmemacher bereits dem abgehalfterten Mickey Rourke zu einem furiosen (wenn auch kurz andauernden) Comeback verholfen - alle Zeichen deuten darauf hin, dass er Fraser mit „The Whale“ dieselbe Wohltat erweisen wird.

    In der ergreifenden Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Samuel D. Hunter ist der „Die Mumie“-Star kaum mehr wiederzuerkennen. Samt entstellendem Make-Up und Fatsuit verkörpert er Charlie, einen schwer übergewichtigen Mann am Rande des Abgrunds. Nach dem Tod seines Geliebten hat sich der Lehrer aus der Mitte der Gesellschaft zurückgezogen und unterrichtet nur mehr online - die Webcam bleibt ausgeschalten, da er sich für sein Äußeres schämt. Der einzige Zugang zur Außenwelt: die befreundete Krankenschwester Liz (Hong Chau: wundervoll), die sich tagtäglich um ihn kümmert. Trotz körperlicher Einschränkungen, wird ihm durch die Hilfe der Pflegerin ein halbwegs bewältigbarer Alltag ermöglicht. Als Charlies gesundheitliche Probleme unausweichlich werden und er quasi mit einem Bein im Grabe steht, will er Wiedergutmachungen leisten. Einst hatte er Frau und Kind verlassen, um eine Beziehung mit einem Mann anzufangen. Nun versucht er zu reparieren, was noch zu reparieren geht. Besonders wichtig ist ihm das Verhältnis zur mürrischen Tochter Ellie („Stranger Things“-Star Sadie Sink). Diese nutzt die Gutmütigkeit ihres Vaters doch nur für eigene Zwecke aus. Der Literaturprofessor ist aber fest davon überzeugt, dass in jedem Menschen Gutes steckt.

    Die Filme von Darren Aronofsky zeichnen sich für gewöhnlich durch inhaltliche wie auch stilistische Radikalität aus. Situationen werden überdramatisiert, ein überbordender Schockfaktor wirkt omnipräsent. Umso überraschender daher, wie vergleichsweise zurückhaltend und menschlich sich das neueste Werk anfühlt – und das ist auch gut so. Für „The Whale“ hat das Enfant terrible seine Misanthropie gegen eine Prise Hoffnung getauscht. Wir folgen jemandem, der dem Tode nahesteht, während dieser am Glaube ans Gute im Menschen festhält. Aronofsky wäre nicht Aronofsky, wenn er nicht trotzdem schmerzhafte Einblicke in menschliche Abgründe gewähren würde. Selbst eine so hoffnungsvolle Figur wie Charlie wird hier vor vollendete Tatsachen gestellt und am Rande des kompletten Zusammenbruchs befördert. Zwischen Verzweiflung und Tristesse versucht sich der fettleibige Lehrer durch seine letzten Lebenstage zu kämpfen. Findet er Halt bei Familie und Freunden? Oder muss er sich vielleicht sogar dem religiösen Glaube zuwenden? (Dieser wird hier im Form eines jungen Missionaren (Ty Simpkins) symbolisiert.) Den ewigen Kampf zwischen Zynismus und Optimismus, Apathie und Empathie präsentiert Aronofsky in gewohnt überdramatisierter Aufmachung – begleitet von einem brummenden Score und flotten Schnitten. Zur Abwechslung behält gegen Ende aber diesmal die Hoffnung die Oberhand.

    Eine eigensinnige Prämisse wie diese hätte in den falschen Händen nach hinten losgehen können. Dass der Film zu keiner Sekunde ins Banale rutscht und selbst in seinen sentimatelsten Momenten aufrichtig bleibt, ist letztlich der bemerkenswerten Darbietung seines Hauptdarstellers zu verdanken. Mit einer großen Portion Mitgefühl nähert sich Brendan Fraser der komplexen Figur an. Charlie mag klar der Sympathieträger sein, doch trotzdem sehen ihn manche Leute in seinem Leben als Monster – und das nicht wegen seines optischen Auftretens, sondern vergangener Taten. Fraser stellt den Konflikt, den sein Protagonist auszubaden hat, glaubhaft und nachvollziehbar dar – gerade in den intimeren, ruhigeren Momenten scheint eine unvergleichliche Wärme durch seine stechend grünen Augen. Es ist die bislang größte Darbietung in der Karriere des Schauspielers. Eine Performance, die selbst all jene, die Fraser für seine frühere Rollenwahl belächelt und verkannt hatten, vom Gegenteil überzeugen sollte. Eine Performance, die jede Facette des menschlichen Daseins abdeckt. Eine Performance, die dem Mimen womöglich noch einen großen Preisregen bescheren wird.

    „The Whale“ ist ein effektiv komponiertes Stück Gefühlskino und der wohl ergreifendste, zärtlichste und nahbarste Film, den Darren Aronofsky seit einiger Zeit gedreht hat. Ein tiefberührender Appell an die Menschlichkeit. Eine zermürbende Auseinandersetzung mit Glaube und Religion. Ein außergewöhnliches Comeback für ein außergewöhnliches Talent.
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    06.09.2022
    09:02 Uhr