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    Stylisches Rachedrama mit mystischem Einschlag

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    Eine junge, hübsche Frau gabelt sich nachts in der Clubszene junge Männer auf. Sie betäubt sie mit Drogen versetzten Drinks und misshandelt, schlägt und brutalisiert sie, nachdem diese sie mit nach Hause nehmen, nur um dort ins medikamentenindizierte Koma zu fallen. Ismaël und Youssef Chebbis Drama überlässt hier nichts der Fantasie. „Black Medusa“ haben sie ihre filmische Studie einer gegenwärtigen weiblichen Existenz im post-revolutionären Tunesien genannt. Jene mystische Medusa, deren Haupt von einem Mann abgeschlagen wurde. Deren unverschuldetes Leid in gegenwärtiger feministischer Kultur als Symbolbild weiblicher Wut und Erniedrigung durch das Patriarchat dient.

    Auch die filmische Protagonistin Nada (Nour Hajri) scheint Wut mit sich herumzutragen. Vor langer Zeit hat sie dem Sprechen abgeschworen. Die nötigsten Konversationen tätigt sie mithilfe einer App. Worüber müsse man denn kommunizieren fragt sie, als ihre neue Mitarbeiterin Noura versucht, sich mit ihr via Zeichensprache zu unterhalten um sie besser kennen zu lernen. Tagsüber als Web Video Editor für ein Start-up tätig, führt sie ein zurückgezogenes, schüchternes Leben. Nachts jedoch wird sie zur Femme Fatale, die auszieht, um Männer aufzugabeln und sie ihrer Pein zu unterziehen.

    Der Film observiert in seinen kühlen, schwarzweiß Tönen, in dem Minimum an Geräuschen und verbalen Interaktionen, die sich die Figuren erlauben. Nadas Stummheit agiert wie ein Spiegel zu ihren Gegenübern, die weniger an ihr interessiert sind, sondern die Abende damit verbringen in langen Monologen von sich selbst zu reden. Die junge Frau antwortet höchst mit dem einen oder anderen App-Dialog, meist sieht man sie jedoch mit frustriert-genervtem Blick. Der Film macht zunächst nicht klar, ob Nada wirklich taub und stumm ist, oder ob es ein Akt ihrerseits ist, aber es ist letztendlich nicht wichtig. Die Oberflächlichkeit, der Drang der Männer diese junge Frau erst voll zu plaudern und dann sexuelle Intimität aus der Situation zu quetschen ist eine Geschichte so alt wie jene der Medusa selber und verlangt seit jeher wenig Kooperation von Seiten der Frau.

    Der Film spielt dabei geschickt mit den Genres, erinnert mit seiner Mordserie in abstrusen Umständen an italienische Giallos, mit fantastischen Fantasie Elementen an übernatürliche Welten, sowie mit seinem polierten Kamerastil an klassische Film noirs. In diesem Mix aus Einflüssen sowie der Verlegung antiker Mythen in die gegenwärtige #metoo-Generation entsteht ein unbeschriebener, interpretationsfreudiger Raum, in dem die Figuren ihren Schmerz, ihre Aggression aber auch ihre Schuld navigieren.

    Die Regisseure zielen mit ihrer Geschichte nicht auf ein Urteil ab, in dem sie Nada eine Kategorisierung umhängen. Als diese schließlich von allgemeinen Prügeln zu einem antiken Messer greift, das sie bei einem ihrer Opfer im Haus findet, geht das einher mit sexueller Belästigung, Objektifizierung und allgemeiner Frustration. Dennoch, die moralistische Gegeninstanz drängt sich der jungen Rachegöttin in Form von Noura auf, die auf einer menschlichen Eben mit Nada zusammenfinden will. Für eine kurze Zeit scheint es, als würde dies auch gelingen. Doch die Schmerzen und Sorgen der Welt, aus denen sich Nada bereits zu sehr zurückgezogen hat, werden keine Brücken mehr schlagen können.
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    11.02.2021
    20:30 Uhr