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    Starker Film über Mütter-Töchter Beziehungen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Zu einer Zeit, in der im Filmbusiness mehr nach starken Frauen gefragt wird, finden sich gleich drei solche in Laura Bispuris zweiter Regiearbeit „Figlia mia – Daughter of Mine“. Der Film ist eine hervorragend gespielte Dreiecksbeziehung zwischen der fürsorglichen Tina, ihrer schüchternen Außenseitertochter Vittoria und der exzessiven Angelica, die mehr mit Vittoria verbindet als Tina lieb ist.

    Als die Dorfdrinkerin und unkonventionelle Angelica (Alba Rohrwacher) aus ihrem Haus geschmissen werden soll und von der heimischen Insel Sardinien aufs Festland ziehen will, tritt sie an Tina (Valeria Golino) heran mit der Bitte, deren zehnjährige Tochter Vittoria (Sara Casu) kennen zu lernen. Tina, die sich gelegentlich um Angelica und ihr Anwesen kümmert, zögert, wird aber dann von ihrem Mann dazu überredet die Tochter vorbei zu bringen. Die mit übertriebener Aufmerksamkeit überschüttete und etwas einsame Vittoria findet sofort Gefallen an dieser überdrehten Frau und beginnt sie daraufhin regelmäßig zu besuchen. Diese aufkeimende Nähe zwischen den beiden passt Tina überhaupt nicht. Sie versucht Angelica mehrfach dazu zu überreden, Sardinien zu verlassen. Diese stößt sich aber an der Art, wie Tina versucht sie loszuwerden, und auch Vittoria hat die ein oder andere Erkenntnis darüber, wie sie zu den beiden erwachsenen Frauen steht.

    Der Twist in der Handlung ist offensichtlich und steht auch schnell im Raum. Nicht die dunkelhaarige liebliche Tina ist die biologische Mutter der rothaarigen Vittoria, sondern die vorlaute Blondine, die die halbe Zeit betrunken ist, sich in der Bar an sämtliche Männer heranmacht und zum Frühstück Bohnen und Aspirin serviert. Aber sie bietet Vittoria, die schnell eins und eins zusammenzählen kann, auch die Möglichkeit über ihren eigenen Schatten zu springen und neue Herausforderungen anzunehmen. Als Spielball dieser Entwicklung dient die Insel Sardinien, die Angelica und Vittoria gemeinsam erkunden. Bispuri taucht die sandigen Dünen und Hügeln, die mit trockenen Gestrüpp und großen Felsmassen durchzogen ist, in warme Lichter und offenbart sie in beeindruckenden Totalen. In einer Welt, in der Zivilisation so unwahrscheinlich wirkt, sind Urinstinkte gefragt.

    Sie habe in der entwaffnenden Landschaft der Insel viele Antworten gefunden, erklärt Bispuri. Sie gebe Kraft, so wie dieser Film die Kraft der Mütter symbolisiere. Sowohl das Land, das so eigenwillig ist, als auch seine Charaktere suchen sich und ihre Erdung in der Welt. Das Schauspiel der drei Hauptdarstellerinnen verleiht dieser Suche die notwendige Nuance. Die exzellenten Leistungen, vor allem die der jungen Sara Casu, helfen dadurch auch über einen vielleicht manchmal etwas vorhersehbaren Plot hinweg, in der sich beide Mütter um die Gunst Vittorias bekriegen. Ebenso unterstützt die hervorragende Kameraarbeit von Vladan Radovic das Schauspiel, wenn er im Handkameramodus die Figuren oft minutenlang verfolgt, ihnen nahe ins Gesicht rückt während die Emotionen dort verrücktspielen und die Musik über sie mit schweren Melodien zusammenschlägt.

    Im Kern ist es ein Film über das Muttersein, was es bedeutet Mutter zu sein und welche Gefühle dahinterstecken. Tina und Angelica können unterschiedlicher nicht sein, doch beide geben sie Vittoria eine Form von Zuneigung und beide können sie egoistisch und unbarmherzig sein. Wenn Tina Vittoria mit eine Bar schleppt um ihr zu zeigen, dass ihre Zweitmutter sich dort als „Dorfhure“ herumtreibt, oder Angelica Vittoria zwingen will, in ein tiefes Loch zu klettern um nach römischen Schätzen zu suchen, dann steigt keine der beiden als die bessere Wahl aus. Mutter sein bedeutet mehr als nur perfekt und furchtbar zu sein, es ist vielmehr einfach Mensch sein und der Film untersucht diese Balance auf einfühlsame Weise.
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    22.02.2018
    23:43 Uhr