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67.7% Bewertung
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    Wer hat an der Uhr gedreht?

    Keine Kino-Franchise wie diese zeigt wohl stärker, dass deren Zeit vorbei ist. Star Wars hatte das Glück, seine Agenda mit erfrischenden Jungstars in eine neue Epoche zu katapultieren. James Bond war stets aus der Zeit gefallen und lässt sich an der Chronologie geschichtlicher Ereignisse nur schwer festmachen. Zum Terminator gab es schon nach James Camerons Flussigmetall-Erfolg nichts mehr Neues hinzuzufügen. Und Indiana Jones? Als erstes scheint es schwierig, einer Filmreihe frischen Wind zu verpassen, wenn schon der Held im Titel steht – und nicht, wie der 007-Agent, immer wieder neu besetzt werden kann. Harrison Ford ist Henry Jones und Henry Jones ist Harrison Ford, da gibt es keine Alternative und wird es niemals geben, es sei denn, man fängt bei null an und castet jemanden, der an River Phoenix erinnert, der sich dank nur eine Rückblende aus dem letzten Kreuzzug nicht ganz so fest in die Filmgeschichte einzementiert hat wie die charmante, schlitzohrige, leicht vernarbte Ikone des 80er Jahre, die sich immer noch zu Spätauftritten seiner Paraderollen hat hinreißen lassen. Dass er dem schmählichen Tod seines zweiten schauspielerischen Grundpfeilers, nämlich Han Solo, stattgegeben hat, liegt wohl daran, dass er sein Vermächtnis in trockenen Tüchern sehen wollte. Die Dinge abzuschließen, gehört wohl zu seinen Prioritäten. Und so muss auch endlich Indiana Jones, die Kreation von George Lucas und Steven Spielberg, ins Regal musealer Kuriositäten wandern. Die Zeit hält nicht an, der Held wird älter und irgendwann geht’s nicht mehr. Einen Film allein in digitaler Verjüngung zu führen ist ein Verrat an der natürlichen Entropie von Filmstars und der Chance für Neues.

    Der fulminante Erfolg von Jäger des Verlorenen Schatzes oder Tempel des Todes lag wohl darin, mit völliger Unbekümmertheit und im Rahmen einer Sturm und Drang-Phase kreativer Köpfe eine realfantastische Welt ohne Erfolgsdruck zu kreieren – da man noch nicht wusste, wie sehr das Konzept beim Publikum wohl ankommen wird. Der Spaß am Experimentieren, am Herumpanschen und Gasgeben ist das Schaffenskind seiner Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtzigerjahre. Mit diesem Pioniergeist ist auch der Krieg der Sterne entstanden. Risiko, Lust am Erfinden und am Setzen von Ideen, die noch nicht da waren – so werden Legenden geboren. Sie sterben dann, wenn Jahrzehnte später Megakonzerne und Produzenten versuchen, den Erfolg dieser Narrenfreiheiten zu wiederholen. Natürlich funktioniert das nicht. Viel zu viele Köche verderben den Brei. Marketing- und Zielgruppenanalysen sowie das Zerpflücken des Originals, um herauszubekommen, was den Erfolg garantiert, erzeugen nur mehr vom Gleichen – und maximal eine Hommage an einen Kult. So ist das auch schon mit Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels passiert. Und so lässt es sich auch in jeder kalkulierten und längst nicht mehr frei improvisierten Szene in Indiana Jones und das Rad des Schicksals erkennen. Hier berauscht kein Pioniergeist mehr den Kinosaal. Sondern maximal der Geist des Vergangenen.

    Der sorgt vielleicht für Wehmut, wie das bei Abschieden immer so ist – doch schließlich auch für Unterhaltung, denn die Macher, die hinter einem Millionenprojekt wie diesen stehen, sind keine Anfänger. George Lucas und Spielberg sind immer noch die Executive Producers. Und James Mangold sitzt im Regiestuhl. Schade eigentlich. Denn Mangold mag zwar Comics verfilmen können, die wie Logan eine neue Tonalität finden. Für Indiana Jones aber ist er fehl am Platz. Spielberg hätte selbst nochmal Hand anlegen sollen. Vielleicht wäre da die verspielte, verschmitzte, reuelose Naivität der Vorgänger zurückgekehrt. Die richtige Balance zwischen geheimnisvoller Metaphysik, Abenteuergeist und Humor. Bei Mangold und seinen Drehbuchautoren fehlt diese Balance leider völlig. Humor ist im stattlichen Alter des Indiana Jones rares Gut, viel lieber trauert er über Versäumtes und so manches bittere Schicksal. Die Leichtigkeit ist dahin – die hat man mit 80 Lenzen nicht mehr. Den Abenteuergeist? Den hat sich längst Phoebe Waller-Bridge (u. a. Fleabag) unter den manikürten Fingernagel gerissen: Als Helena Shaw, Patentochter des Alt-Archäologen, rockt sie die Party, steht als Haupt-Show Act auf der rustikalen Bühne eines ausgedienten Filmkonzepts. Sie, allein nur sie, rettet den Tag und das Event – sie steppt wie ein Bär und krallt sich an mystische Artefakte wie es seinerzeit der titelgebende Meister selbst getan hat. Indiana Jones kann dabei nur staunend zusehen, wenn sein Sidekick zur Zentral-Heldin wird und dieselben Tricks anwendet wie seinerzeit er selbst. Mitgerissen von so viel Elan schwingt er dann doch noch das eine oder andere Mal die Peitsche oder lässt die Fäuste fliegen. Doch das braucht wiederum Phasen des Durchatmens, die den fünften Teil immer wieder mal ins Stocken bringen, ohne auf Zug inszeniert werden zu wollen. War der Tempel des Todes noch ein Stakkato an Action, Thriller und Witz, hat Das Rad des Schicksals altersbedingt mächtig Leerlauf, der mit Dialogen gefüllt wird, die zwar Indys Rolle Tiefe geben sollen, die jedoch maximal einer fiktiven Biografie, aber keinem stringenten Abenteuer dienlich sind. Die wiederholte Aufwärmrunde einer Verfolgungsjagd per fahrbarem Untersatz kompensiert da kaum noch die fehlende Dynamik.

    Was lässt den Film aber trotz all den Zugeständnissen an das Alter und an eine neue Zeit, die anderen gehört, dennoch an sich selbst glauben? Es ist die Weigerung, Abschied nehmen zu müssen vom goldenen Zeitalter inspirierenden Filmschaffens. Für Indiana Jones sucht der Film den richtigen Ort für den Ruhestand, ob quer durch die Zeit oder genau dort, wo gerade der Fedora hängt. Ob mit Bundeslade, heiligem Gral oder Archimedes‘ Rad des Schicksals – alle Artefakte sind dazu da, ein Stück Ewigkeit zu instrumentalisieren. Die wird es nicht geben, auch wenn man längst nah dran war. Wenn unter John Williams unverkennbar wummerndem Score die alten und neuen Helden übers Mittelmeer ziehen und die alte Welt erkunden, gerät Indiana Jones und das Rad des Schicksals zu einem Da Capo, zu einer Zusatznummer oder fast schon zu einem Epilog. Da ist der Antagonist ganz egal, die Wunderkammern mit ihren Fallen und Ekelinsekten austauschbar. Was zählt, ist die Erinnerung an einer phänomenalen Idee, die George Lucas damals hatte. Deswegen, und trotz all dem Makel, den das finale Werk vielleicht hat, will man als Kenner dieser Welt gemeinsam mit einem liebenswerten Harrison Ford noch eine Ehrenrunde im steuerlosen Flieger drehen. Und vielleicht auf eine Rückkehr von Phoebe Waller-Bridge und ihrem Siedekick hoffen. Im selben Universum, nur ohne Indy.



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    08.07.2023
    19:00 Uhr
  • Bewertung

    Einmal geht's noch

    Mit dieser kurzen österreichischen Redensart könnte man den neuen Indiana Jones Film meiner Ansicht nach recht gut zusammenfassen. Natürlich ist es eine Freude für alle Fans, dass „Indy“ noch einmal auf die Leinwand zurückkehrt. Auch diesmal haben die Produzenten Spielberg und Lucas keine Mühen gescheut, um ihre wohl erfolgreichste gemeinsame Figur der Filmgeschichte ein letztes Mal auf die Leinwand zurückkehren zu lassen. Doch anders als bei den ersten drei Filmen bildet diesmal die Handlung mehr einen losen als einen roten Faden. Vieles wirkt konstruiert und nein, es braucht nicht für jeden kleinen Fortschritt eine 10-Minuten Verfolgungsjagd bzw. einen Kampf am Dach eines Zuges oder an Bord eines Flugzeuges oder Bootes. Dies führt dazu, dass es durchaus vorkommen kann, dass im Kinosaal der eine oder Andere im Publikum sein persönliches Rad der Zeit am Handgelenk konsultiert. Es gibt auch in diesem Film ganz viele erzählerische, szenische und dramaturgische Zitate zu den ersten drei „Indiana Jones“-Filmen und anders als viele andere Kritiker*innen fand ich die technische Verjüngung von Harrison Ford wirklich beeindruckend gut. Phoebe Waller-Bridge als seine Patentochter hat mich über fast den ganzen Film hinweg nur genervt. Entweder durch das, was sie tut bzw. nicht tut, größtenteils aber durch ihr ständiges Gequatsche von sinnlosen Dialogen oft mitten im Lärm einer Verfolgungsjagd. Es leuchtet mir auch nicht wirklich ein, warum es diesmal noch einmal die Nazis gebraucht hat - als Zitat zu den früheren Filmen zwar nachvollziehbar, aber für diese Geschichte wären sie nicht nötig gewesen. Mads Mikkelsen (zuletzt als Bösewicht Grindelwald im Kino zu sehen) hat einen undankbaren Part in diesem Film. Er spricht zwar sowohl Deutsch als auch Englisch höchst passabel, ist aber im Drehbuch eine dermaßen dünne Pappkartonfigur, dass er einem schon fast leid tut und man einen Hauch von Mitleid gleichzeitig mit jenem der ausgleichenden Gerechtigkeit empfindet, als gegen Ende hin dann plötzlich etwas nicht stimmt.

    Man kann sich den neuen „Indy“ auf jeden Fall anschauen, auch wenn man die früheren nicht gesehen oder schon das Meiste wieder vergessen hat. Aber man muss sie bzw. die Figur mögen, damit man sich in diesem Teil nicht langweilt.
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    05.07.2023
    10:58 Uhr
  • Bewertung

    Extrem schräges und unterhaltsames Finale

    Trotz einiger Schwächen im Mittelteil, wo sich der Film beim Abhaken klassischer Indy-Situationen im Tempo verhebt zielt das Ganze auf ein sehr schräges - und extrem unterhaltsames Finale, vielleicht eines der konsequentesten und besten der Serie. - In Summe: 1 - 3 - 2 - 5 - 4.
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    29.06.2023
    20:51 Uhr
  • Bewertung

    Give them Hell, Indiana Jones!

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2023
    Um mich gleich zu outen: „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ ist einer der wichtigsten Filme meines Lebens, wenn nicht der wichtigste. Die ersten drei Teile habe ich gefühlte 100-mal gesehen, „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ nur 3-mal. Das aktuelle fünfte Abenteuer sah ich als Geschenk und als Möglichkeit an den Ausrutscher des vierten Teils wieder gut zu machen. Ist das James Mangold, der die Nachfolge von Steven Spielberg als Regisseur angetreten ist, gelungen? Steven Spielberg begnügt sich dieses Mal ungewohnterweise als ausführender Produzent, da er der Meinung ist, dass er Platz machen wollte für eine neue Generation, die ihre Perspektive der Geschichte einbringen soll.

    Das Abenteuer beginnt mit rasanter Zug-Action und zahlreichen Nazis, so wie wir das von „Indy“ gewohnt sind. Eine unglaubliche Action-Szene jagt die andere und mittendrin ein verjüngter Harrison Ford/Indiana Jones. Diese computertechnische Verjüngung ist sensationell geworden und als Zuschauer kommt man anfangs aus dem Staunen nicht raus. Dieser fast halbstündige rasante Einstieg gehört zum Besten, was das moderne Actionkino bieten kann.

    Die Kollektion des Dr. Jones mit der Bundeslade, den heiligen Sankara-Steinen, dem Gral und dem Kristallschädel werden mit dem historischen Gegenstand dem Rad des Schicksals „die Antikythera“ vervollständigt. Weil die Nazis als die perfekten Bösewichte angesehen werden, sind sie wieder da und wollen mit der Antikythera die Geschichte ändern, indem man in der Zeit zurückreist. Mads Mikkelsen verkörpert den Oberbösewicht, überzeugt aber leider nur teilweise. Das liegt an der sanften Charakterzeichnung, wo offensichtlich die Vorstellungen des neuen Eigentümers Disney berücksichtigt wurden.

    Nachdem es zur Erleichterung aller Fans keine Fortsetzung mit Shia LaBeouf als Indy-Nachfolger gibt, wird die neue Figur der Patentochter Helene, dargestellt von Phoebe Waller-Bridge eingeführt. Nachdem Harrison Ford bereits 80 Jahre jung ist, bekommt man das Gefühl, dass Disney an einer weiblichen Heldin interessiert ist, die das Erbe des Fedora-Hutträgers und Peitschenakrobaten übernehmen könnte.

    Es gibt immer wieder Bezüge auf die Originale und ein Wiedersehen mit bekannten Charakteren wie John Rhys-Davies als Sallah. Mein Lieblingsgag ist, wenn Indy davon spricht, dass er einst sogar das Blut von Kali getrunken hat. Das war das Gebräu, das im Tempel des Todes jeden in Trance versetzte und zu einem willenlosen Werkzeug des Kults machte. Aber ich bin mir sicher, dass der Überraschungsgag am Ende des Films wahren Fans ein Lächeln ins Gesicht zaubern wird.

    Wie oft werde ich mir „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ anschauen? Ich weiß es nicht, aber ein Versprechen kann ich geben: Es wird mehr als 3-mal sein!
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    19.05.2023
    22:29 Uhr