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    Das Seil, der Regen und der Krieg

    Man sollte beim Anschauen des Films nie den Titel außer Acht lassen. Denn was wir hier sehen, ist alles andere als ein perfekter Tag. Sagte schon Katya zu den Männern ‘Ich bin nur noch bei euch, um zu sehen, ob euch heute noch etwas gelingt‘. Es ist eine Dokumentation über die Arbeit der NGOs auf dem Balkan während des Krieges (1995). Die sitzen zwischen allen Stühlen. Die Typen sind äußerst passend gecastet und ihre Rollen vom guten Drehbuch ins rechte Licht gerückt. Zwei Frauen und zwei Männer arbeiten teils zusammen, teils gegen einander. B (Tim Robbins) ist der Söldner, der sonst kein Zuhause hat und niemand wartet auf ihn (‘Von Nutten einmal abgesehen‘). Das Schlimmste für ihn wäre es, wenn die Mission abgeblasen werden würde. Das ist Katyas (Olga Kurylenko) Aufgabe. Ihr obliegt das Problem Management and dessen Analyse. Interessanterweise hatte sie früher einmal ein Verhältnis mit dem Leiter vor Ort Mambru (Benicio del Torro). Er ist der Realist im Team mit Teflon im Gemüt und als Abwehrmechanismus dient ihm die ironische Distanz. Nur so kann man hier überleben. Schauspielerisch braucht er sich nicht zu verausgaben. Ruhig und eindrucksvoll durchschaut er die jeweilige Situation. Egal ob bei einer Grenzkontrolle oder den Dorfbewohnern. Seine Assistentin Sophie (Melanie Thierry) ist die Idealistin. Sie muss noch viel lernen.
    Im Grunde geht es um die Beschaffung eines Seils, weil man eine Leiche aus einem Brunnen ziehen will, um eine Epidemie zu verhindern. Daneben gibt es noch kleine interpretatorisch verwertbare Episoden wie der Besitz eines Fußballes, der Wert des Geldes oder Kriegswaisen. Alles spielt sich vor einer eindrucksvollen Kulisse von zerbombten Häusern ab. Das wird optisch nur noch gesteigert durch den Regen. Der kommt am Ende. Und dann schließt sich hier der Themenkreis mit dem Anfang: Überschwemmung wegen des Dauerregens löst das Problem mit der Leiche im Brunnen. Ironisch eben. Nicht gleich erkennbar und wenn doch nicht jedermanns Sache.
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    26.10.2015
    11:26 Uhr
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    A Perfect Film

    Exklusiv für Uncut vom Sarajevo Film Festival
    „Irgendwo am Balkan“ (Zitat einer Bildunterschrift des Filmes): Eine Gruppe humanitärer Helfer versucht gegen Ende des Bosnienkrieges eine Leiche aus einem Brunnen, aus dem die dort Ansässigen normalerweise ihr Trinkwasser beziehen, zu entfernen. Die Suche, um ein Seil für einen Flaschenzug aufzutreiben, führt die Gruppe quer durch die Wirren des auslaufenden Krieges. Ein Auszug: Menschen, die die Vergiftung des Trinkwassers des Dorfes scheinbar befürworten; Straßen, die nicht nur mit toten Kühen, sondern vielleicht auch mit Minen gepflastert sind; willkürliche Straßensperren von militanten Gruppierungen; UN-Mitarbeiter, denen nicht das Wohl der Menschen, sondern, dass das Protokoll eingehalten wird, am Herzen liegt.

    Regisseur Fernando León de Aranoa ist ein Geniestreich und sein wohl bester Film gelungen. Bereits die erste Szene gibt die Richtung vor: der Versuch, die aufgedunsene Leiche aus dem Brunnen zu hieven, ist durch eine visuell beeindruckende Einstellung, die vom Boden des Brunnens nach oben ausgerichtet ist, aufgelöst. „A Perfect Day“ ist trotz des Kriegssettings nicht voller Schießereien und Explosionen, sondern kann mit Momenten, die für andere Filme bloße Nebenhandlung wären, Spannung erzeugen.

    Die spanische Produktion kann neben einigen Balkan-Schauspielern mit internationalen Stars aufwarten. Benicio del Toro, „Quantum“-Bondgirl Olga Kurylenko oder auch Tim Robbins sind Teil der Gruppe, um die sich die Handlung dreht. Letzteren hat man schon lange nicht mehr so gut aufgelegt gesehen. Er spielt den schon erfahrenen Kriegshelfer immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen und überzeugt mit dem Timing eines Comedy- und der Intensität eines Drama-Schauspielers.

    „A Perfect Day“ ist ein Road Movie der besonderen Art. Durch seine Zugangsweise kann er den Jugoslawienkrieges aus einem anderen Blickwinkel beleuchten. Das macht den Film weder zu einem Betroffenheitsdrama, noch zu einer deplatzierten Komödie, sondern findet er seinen Platz irgendwo dazwischen. Dass er beim Filmfestival in Sarajevo äußerst positiv aufgenommen wurde, zeigt, dass dies selbst in dem die Handlung betroffenen Land – wo also die Zuschauer naturgemäß kritischer sind – funktioniert.

    Das Ende beweist wie nahe Happy und Bad Endings beieinander liegen können und macht den Bogen des klug konstruierten Drehbuchs perfekt. „A Perfect Day“ hat das Potential nicht nur bei Festivals, sondern auch bei dem ganz großen Publikum Aufsehen zu erregen.
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    23.08.2015
    14:18 Uhr