Ida

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Forumseintrag zu „Ida“ von r2pi

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r2pi (04.03.2015 01:31) Bewertung
wohin und zurück
eine junge novizin befreit das gesicht einer christusstatue vom staub, sie wird sie gleich auf einem podest aufrichten, draußen vor dem kloster, von dessen wänden bereits der verputz abbröckelt. eine leichte schneedecke liegt auf der kargen landschaft, ein paar schneeflocken tanzen in der luft. das diffuse licht wirft kaum schatten, verwischt die vergehenden stunden. einzig die gebete der nonnen und das klappern der suppenlöffel strukturieren den tag.
anna ist die junge novizin, die sich auf ihre profess vorbereitet – doch bevor sie die ordensgelübde ablegt, muss sie auf geheiß der mutter oberin ihre einzige verwandte kennenlernen: tanta wanda, wegen ihrer blutigen vergangenheit als richterin des stalinistischen regimes die "rote wanda", eröffnet der vermeintlichen christin ihre jüdische herkunft. in einem klapprigen wartburg machen sich die in sich gekehrte strenge anna, nunmehr ida, und die mondäne, zynische, an der welt verzweifelnde wanda auf die suche nach dem grab der eltern.

abweisende zeitzeugen, verrat und ermordung der eltern, ihre verscharrten leichen im wald werden fast beiläufig abgehandelt und stoisch aufgenommen von der jungen frau; ein fescher saxofonspieler, dessen kurzfristiger lebensplan sich auf die vermeidung des militärdienstes und jeglicher anderer gelübde beschränkt, scheint sie da mehr aus dem gleichgewicht zu bringen – ein kurzes schnuppern in die welt sinnlicher erfahrungen, hochhackiger schuhe und gelöster haare lässt sie aber doch nach der zukunft fragen: was dann? ...ein hund, heirat, kinder, ein haus... und was dann?

und wie regisseur pawel pawlikowski nach einem leben im exil nach warschau zurückgekehrt ist, so kehrt auch ida – anna – zurück ins kloster: an einen "ort der einfachheit und kohärenz"? oder an einen ort der geborgenheit und der gedämpften leidenschaften...?

fazit: ein film für cineasten und arthouse-fans, überhäuft mit über 50 preisen und gekrönt mit dem ersten auslandsoscar für polen, bietet ida offenbar die ideale projektionsfläche für allerlei assoziationen zur polnischen nachkriegsära und den beginn der jugendkultur bis zu cineastischen querverweisen auf den jungen polanski und die französische nouvelle vague.
die eigentliche faszination geht aber von den ästhetischen, streng komponierten schwarz-weiß-bildern im alten 4:3 format aus – und von den ungewöhnlichen ausschnitten (die figuren sind oftmals an den unteren rand gedrängt), den kargen, unbevölkerten landstrichen, den vom habit eingerahmten tiefdunklen augen oder vom spartanischen klosteralltag, belebt nur von geräuschen und musikalisch begleitet nur wenn mal der plattenspieler angeworfen oder das saxofon ausgepackt wird.
 
 

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