Das Fest

Bewertung durch barry egan  75% 
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Forumseintrag zu „Das Fest“ von barry egan

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barry egan (23.01.2015 19:12) Bewertung
Psychologisch spannend, visuell auf den Hund gekommen
Beim Festdiner zum 60. Geburtstag seines Vaters Helge (Henning Moritzen) will Christian (Ulrich Thomsen) in seiner Tischrede vor der versammelten Verwandtschaft eine Bombe platzen lassen: Der Vater hat ihn und seine Zwillingsschwester, die vor Kurzem Selbstmord beging, als Kinder laufend vergewaltigt. Wie werden Christians Geschwister Michael (Thomas Bo Larsen) und Helene (Paprika Steen), der Vater und die Mutter (Birthe Neumann) auf die Anschuldigung reagieren?

Der Film beginnt tröpfelnd mit der Anreise der Festgäste, dem Begrüßen und Beziehen der Zimmer. Die Verwandtschaft besteht zu einem Gutteil aus verschrobenen Charakteren, darunter fahrige Trinker, verkalkte Senioren und ein hypochondrischer Onkel. Der psychisch labile Christian hat den Küchenchef Kim (Bjarne Henriksen), einen Kindheitsfreund, als moralische Stütze; Kim will Genugtuung für Christian und den Patriarchen hier und heute stürzen sehen. Wie es weitergeht, soll jeder für sich sehen, das Ende ist jedenfalls sehr stark.

Dogma 95 ist ein absurdes Reinheitsgebot für Filme, unter anderem darf der Regisseur nicht genannt werden, es darf keine herangeschafften Requisiten, keine externe Filmmusik, keine professionelle Beleuchtung und keine Waffengewalt in der Handlung geben, der Film muss in der Gegenwart spielen, und nur Handkameras sind erlaubt.
Was außerdem erlaubt ist, wenn man nach „Das Fest“ geht: Der regelmäßige Einsatz der Fischaugenlinse, Zeitlupe, Zoomen, Reißschwenks zwischen zwei streitenden Personen und überhaupt ständiges Kameragewackel und allen Regeln der Kunst widersprechende Bildausschnitte, eine Schnittmontage mit dem Geschehen aus drei Zimmern gleichzeitig. Sprich: Alles Mumpitz. Nicht einmal dieser erste Dogma-Film, der erst drei Jahre nach dem Manifest entstand, hat sich an die Regeln gehalten oder aus den Beschränkungen etwas Sinnvolles, einen Mehrwert schaffen können. Das Dogma-Regelwerk wurde dann auch nach zehn Jahren und ein paar Hand voll dadurch verhunzter Filme eingemottet.
Die deutsche Synchronisation ist miserabel (und wurde in Deutschland laut IMDb zur schlechtesten des Jahres gewählt), ich habe nach fünf Minuten dem Dogma gemäß auf Dänisch mit Untertiteln umgeschaltet.

Von den technischen Ärgernissen abgesehen ist „Das Fest“ ein psychologisches Kammerspiel, eine Art modernes Königsdrama, ein Kampf mit wechselnden Allianzen. Wenn der Regisseur Thomas Vinterberg sich entscheiden hätte können, ob er jetzt eine komische Familienfarce oder ein kathartisches Drama inszenieren will, hätte der Film noch wahre Größe erreichen können.
 
 

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